„Architekten und Handwerker müssen die gleiche Sprache sprechen“


Alexander Schwehm spricht und gestikuliert mit der Hand

Alexander Schwehm, Foto: Robby Lorenz

Das DHB sprach mit dem Präsidenten der Architektenkammer des Saarlandes, Alexander Schwehm, über die guten Beziehungen von Architekten und Handwerkern im Saarland.
DHB: Wenn man sich mit Architekten unterhält, kann man den Eindruck bekommen, Architekten seien Künstler, Ingenieure und Baumanager zugleich. Wie würden Sie Selbstverständnis und Aufgaben eines Architekten beschreiben?

Schwehm: Eine große Besonderheit des Berufes, der sich auch in der Kammermitgliedschaft ausdrückt, ist die Unterteilung in die Fachrichtungen Architektur, Innenarchitektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung. Spreche ich nachfolgend von Architekten, meine ich immer alle vier Fachrichtungen und natürlich beide Geschlechter. Architekten werden im Studium und in der anschließenden Praxiszeit als Generalisten ausgebildet. Nach meinem Verständnis bilden alle Beteiligten am Bau das Orchester, und der Architekt ist der Dirigent. Das geht nur als Generalist. Der Architekt muss sich in allen Gewerken auskennen. Mit den stetig steigenden Anforderungen an Technik, Energieeffizienz, Materialien etc. ist dies schwierig, und die geforderte Tiefe ist nicht immer zu erbringen. Viele Architekten spezialisieren sich deshalb. Architekten sehe ich als Bindeglied zwischen Bauherr, Handwerker und schlussendlich der Gesellschaft. Denn Gebäude, ihre unmittelbare Umgebung, aber auch Stadt- und Landschaftsräume bilden und prägen den öffentlichen Raum. Der Architekt muss sich nicht nur in allen Gewerken auskennen, sondern – wie Sie es in Ihrer Frage formulieren – in allen relevanten Disziplinen. Der Architekt ist Künstler, da er die Baukultur fördert und man kann sagen, in Abstimmung mit dem Bauherrn, generiert. Er ist Ingenieur, da er technische Bauwerke erschafft. Und selbstverständlich ist er – als Dirigent – der Baumanager.
 
DHB: Was zeichnet eine optimale Zusammenarbeit zwischen Architekten und Handwerkern bei einem Bauprojekt aus?

Schwehm: Architekten und Handwerker müssen die gleiche Sprache sprechen. Es ist essentiell, dass man miteinander kommunizieren kann. Sei es bei der Planung oder später auf der Baustelle. Dabei müssen die Kommunikationswege passen: Kann ich als Architekt den Handwerker per Telefon oder per Email erreichen? Kann er meine Pläne lesen und versteht, was ich meine? Ist er gewillt, sich auf meine Planung einzulassen und bringt er eigene Impulse, die die Bauausführung optimieren können? Die Kommunikation wird natürlich einfacher, wenn man sich bereits kennt und als Team Bauvorhaben betreut hat. Ein gutes Netzwerk, das sich der Architekt aufbauen sollte, ist also sehr wichtig. Den Austausch zwischen Architekten und Handwerkern kann die Architektenkammer fördern. Unser umfangreiches Seminar- und Weiterbildungsangebot steht auch Handwerken offen. Sitzen sie gemeinsam mit Architekten in den Veranstaltungen, fällt das Netzwerken und das Sprechen in der gleichen Sprache umso leichter.
 
DHB: Manche Architekturbüros setzen Handwerker bewusst in einer frühen Planungsphase ein, um die Planung zu optimieren. Wie beurteilen Sie das? Wie können solche Handwerksleistungen abgerechnet werden?

Schwehm: Auch dies wird bedingt durch gute Kommunikation und ein positives Miteinander. Ein Orchester probt und spielt Konzerte gemeinsam. In den Pausen oder nach den Konzerten wird in lockerer Atmosphäre besprochen, wie das Orchester-Miteinander noch reibungsloser funktionieren kann. So ist es auch bei Architekten und Handwerkern. Ich denke, es gibt eine gegenseitige Hilfestellung. Mal beansprucht der Architekt bereits in einer frühen Leistungsphase – vielleicht sogar bereits in der Leistungsphase 0 – den Rat eines Handwerkers, und mal gibt er dem Handwerker eine Auskunft. Also nach dem Prinzip „eine Hand wäscht die andere“. Bei vertieften Beratungsleistungen ziehe ich einen Fachingenieur hinzu, der seine Leistung bezahlt bekommt.
 
DHB: In Hessen und Baden-Württemberg sind nach Landesbauordnung für Bauvorhaben bis zu einer gewissen Größe Handwerksmeister aus den Berufen Maurer, Betonbauer oder Zimmerer bauvorlageberechtigt. Im Saarland gilt dies so nicht. Wie beurteilen Sie die Regelungen in Hessen oder Baden-Württemberg, und sollten diese nicht auch auf das Saarland übertragen werden?

Schwehm: Nein, die Regelungen sollten meiner Meinung nach nicht auf das Saarland übertragen werden. Der Architekt muss sich übergreifend u. a. mit Kunst, (Bau-)Kultur und Städtebau auseinandersetzen. Und dies auch oder vor allem bei kleineren Bauvorhaben. Diese Qualifizierung erhält er – anders als der Handwerker - in seiner Ausbildung. Zusammenfassend würde ich sagen, jedes Gewerk hat seine Berechtigung, und jeder Planer hat seine Berechtigung. Auf der anderen Seite begrüßt die Architektenkammer Projekte der anderen Kammern wie Handwerkskammer, Ingenieurkammer und IHK, die das Miteinander fördern. Dazu gehört beispielsweise der saarländische Denkmalpflegepreis. Das Miteinander drückt sich auch in der politischen Kammerarbeit aus. Bei großen Koalitionen ist die Opposition naturgemäß eher schwach. Von daher finde ich es besonders wichtig, dass sich die Kammern gemeinsam für berufspolitische Themen stark machen. Wir freuen uns, dass die Zusammenarbeit gut funktioniert. Die Architektenkammer sucht immer wieder das Gespräch mit den anderen saarländischen Kammern und der Politik.
 
DHB: Hat aus Ihrer Sicht eine Handwerkslehre vor einem späteren Architekturstudium Sinn? Empfehlen Sie jungen Menschen einen solchen Weg?

Schwehm: Auf jeden Fall. Wenn Architekten vor ihrem Studium eine Handwerkslehre machen, ist die Kommunikation später viel einfacher. Der Architekt hat in der Lehre die Sprache des Handwerks gelernt und bekommt im Studium die weiterführende übergreifende Qualifikation. Das hier Erlernte kann er dann viel besser in die gemeinsame Sprache übersetzen. Ich selbst bin gelernter Stahlbauschlosser. Mir wird oft in der Zusammenarbeit von Handwerkern gesagt: „Sie verstehe ich, Herr Schwehm. Mit Ihnen kann man schaffen.“
 

Vita von Alexander Schwehm

  • Lehre zum Stahlbauschlosser
  • Rockmusiker
  • Architekturstudium
  • Selbständiger Architekt in Saarlouis
  • Seit 2016 Präsident der Architektenkammer des Saarlandes

Die Architektenkammer des Saarlandes interviewte im Sommer 2017 HWK-Präsident Bernd Wegner zum Thema Digitalisierung im Handwerk.