Bürokratische Hemmnisse abbauen


Finanz- und Europaminister Stephan Toscani sieht in der Mobilität innerhalb der Großregion große Chancen.

Der Landeshaushalt sieht rund 200 Millionen Euro für die akademische Bildung vor, für die berufliche Bildung rund 80 Millionen Euro. Gleichzeitig ist der Bedarf an beruflich ausgebildeten Fachkräften deutlich höher als an akademischen. Warum setzt das Land seine Priorität auf die akademische Ausbildung?

Die hier genannten 200 Mio. Euro scheinen meiner Meinung nach der Ansatz der Universität des Saarlandes zu sein und die 80 Mio. Euro der Ansatz für berufliche Schulen. Aus dem Vergleich dieser Ansätze lässt sich zunächst keine Schwerpunksetzung der Landesregierung ableiten, denn es existieren andere Haushaltstitel über die beruflichen Schulen hinaus, die auch dem Themenbereich der beruflichen Ausbildung zuzuordnen sind. Zudem ist in den 200 Mio. Euro Lehre und Forschung enthalten. Dieser Ansatz geht also weit über die akademische Bildung hinaus.

 

Nach Leverkusen und Schierstein ist das Thema Brückensanierung nun mit der Fechinger Brücke auch im Saarland angekommen. Liegen die Gründe dafür in mangelnden Finanzmitteln? Tut der Bund hier genug?

Was die Fechinger Talbrücke anbetrifft, so hat die Federführung das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Energie und Verkehr. Ich kann jedoch folgendes zur finanziellen Unterstützung durch den Bund kurz erläutern:

Für die Finanzierung der Straßen sind die jeweiligen Straßenbaulastträger verantwortlich. Das heißt, für die Bundesfernstraßen ist der Bund zuständig, für die Landstraßen das Land, für die Kreisstraßen die Landkreise und für die Gemeindestraßen die Städte und Gemeinden. Die Länder verwalten die Bundesautobahnen und Bundesstraßen im Auftrag des Bundes. Die notwendigen Haushaltsmittel für den Bau, die Erhaltung und den Betrieb werden im Bundeshaushalt ausgewiesen und vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) den jeweiligen Bundesländern zugewiesen. Darin enthalten sind auch die Mittel aus den Einnahmen nach dem Bundesfernstraßenmautgesetz, die von der Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft mbH verteilt werden.

 

Viele Firmen haben enge Beziehungen zu Frankreich und Luxemburg. Welchen Einfluss hat der Europaminister, um die teilweise großen bürokratischen Hürden bei Auslandaktivitäten unserer Unternehmen besonders in Hinblick auf Frankreich abzubauen?

Das Saarland hat enge und erfolgreiche wirtschaftliche Beziehungen zu seinen Nachbarn in Frankreich und Luxemburg. Frankreich ist wichtigster Außenhandels-partner; über 17.000 Grenzgänger kommen aus dem benachbarten Lothringen zum Arbeiten zu uns, und viele Handwerksbetriebe bieten erfolgreich Ihre Dienste in Luxemburg und Frankreich an. Dennoch bestehen weiterhin bürokratische Hürden bei Auslandsaktivitäten, an deren Abbau wir als Landesregierung gemeinsam mit unseren Wirtschafts- und Sozialpartnern seit Jahren mit großem Engagement arbeiten. Leider stoßen wir dabei oftmals an die Grenzen der jeweiligen nationalen Gesetze.

Im Rahmen unserer gutnachbarschaftlichen Beziehungen setze ich mich auch als Europaminister bei Gesprächen und Kontakten mit Luxemburg und Frankreich für den weiteren Abbau dieser Hemmnisse ein. Auch im Gipfel der Großregion SaarLorLux, an dem ich gemeinsam mit der Ministerpräsidentin, Annegret Kramp-Karrenbauer, das Saarland vertrete, stehen diese Fragen im Fokus. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss des Gipfels der Großregion ist beauftragt, diese Probleme aus erster Hand zu identifizieren und Lösungen vorzuschlagen. Dass in diesen Gremien auch die saarländischen Kammern vertreten sind, macht die Arbeit seriös und effektiv.

Auch durch gezielte Delegationsreisen nach Frankreich, durch die Möglichkeiten grenzüberschreitender Berufsausbildung und durch internationale Treffen deutsch-französischer Wirtschaftsclubs wird die Kenntnis und das Verständnis für die Besonderheiten unserer Wirtschaftspartner im Westen gefördert. Und auch durch die Umsetzung der Frankreichstrategie des Saarlandes, die ebenso wie die Deutschlandstrategie Lothringens das frühe und konsequente Erlernen der Nachbarsprache zum Ziel hat, können bestehende Barrieren für Unternehmen weiter abgebaut werden.

 

Welche Perspektiven geben Sie der Großregion?

Die Großregion SaarLorLux ist durch die Territorialreform in Frankreich, mit der die Fusionierung der Regionen Elsass, Lothringen und Champagne-Ardenne seit 1.1.2016 einherging, gewachsen. Damit haben wir erstmals für die gesamte deutsch-französische Grenzregion von St. Louis im Elsass bis Sierck-les-bains in Moselle einen gemeinsamen Ansprechpartner auf französischer Seite – das ist zugleich Herausforderung und Chance.

Die Möglichkeiten der Mobilität dank Schengen sind gerade für die Grenzregion SaarLorLux eine riesige Chance, die von den Menschen, Unternehmen und der Politik immer stärker genutzt werden.

In den letzten Jahren ist auch die interregionale Zusammenarbeit in der Großregion weiter intensiviert worden. Vielbeachtete Ergebnisse wurden erzielt, um die man uns in anderen Teilen Europas beneidet. Dies gilt insbesondere auch für die Wirtschaft, die von den unterschiedlichen Wirtschafts- und Arbeitsmarktsystemen profitieren kann. Dies wird von den Regierungen der Großregion mit großer Aufmerksamkeit begleitet: Die Zahl der Grenzgängerinnen und Grenzgänger ist auf über 210.000 gestiegen – ein europaweiter Spitzenwert. Wir haben daher die Beratungsstrukturen für Grenzgänger und Unternehmen fortentwickelt. Dank der Rahmenvereinbarungen für die grenzüberschreitende berufliche Aus- und Weiterbildung zwischen dem Saarland und Lothringen können Jugendliche einen Ausbildungsvertrag mit einem Unternehmen im Nachbarland schließen und den praktischen Teil der Ausbildung dort absolvieren, gleichzeitig aber den Berufsschulunterricht in ihrer Muttersprache zu Hause besuchen.

In den Clustern "neue Materialien", „silver economy“ (AAL / Altersunterstützende Assistenzsysteme) sowie dem Automobilbereich sehen interregionale Wirtschaftsanalysen der Großregion ein großes Synergiepotenzial, das die bereits heute bestehende Vernetzung der Hochschulen und Forschungseinrichtungen auch wirtschaftlich voranbringt, auf dem Weg zu einer polyzentrischen Metropole der Großregion. Viele dieser Ansätze hat übrigens bereits das "Zukunftsbild 2020" der Großregion als Vision vor gut 10 Jahren entworfen und wir stellen zunehmend fest, dass der Weg der Zusammenarbeit auch im Unternehmensbereich die Großregion insgesamt stärkt und voranbringt.

Als Perspektive unserer Zusammenarbeit wünsche ich mir, dass auch die politischen Barrieren weiter abgebaut werden. Gerade weil in der Großregion die einzelnen Partner ganz unterschiedliche Gesetzgebungskompetenzen mit sich bringen, sollte es ein Experimentierrecht für diese Regionen geben. Wenn wir diese Perspektiven weiter gemeinsam verfolgen und umsetzen, wird am Ende jedem Bürger deutlich sein, dass die Großregion SaarLorLux kein politisches Elitenprojekt ist, sondern sehr konkrete Chancen bietet. In diesem Bewusstsein werden sich die Menschen der Großregion dann auch als Bürger einer besonderen grenzüberschreitenden Region im Herzen Europas fühlen.