“Echte Erfolgsgeschichte”


HWK-Präsident Bernd Wegner zum Lehrlingsaustausch mit der Chambre de métiers de la Manche
HWK-Präsident Bernd Wegner zum Lehrlingsaustausch seiner Kammer mit der Chambre de métiers de la Manche, Normandie

Seit über 30 Jahren organisiert die Handwerkskammer des Saarlandes zusammen mit der Chambre de métiers de la Manche einen Lehrlingsaustausch. Worum handelt es sich dabei? 

Antwort: Im Wechsel sendet jede Partnerkammer etwa zehn bis 15 Auszubildende in Gastfamilien des anderen Landes. Das heißt, in einem Jahr kommen französische Auszubildende zu saarländischen Handwerksbetrieben und im Jahr darauf sind dann saarländische Auszubildende in französischen Betrieben zu Gast. Dabei lernen sie nicht nur die unterschiedlichen Arbeitsabläufe und Techniken im anderen Land kennen, sondern gewinnen auch Eindrücke im privaten Umfeld, weil sie in den Handwerksfamilien leben. Bestandteil des Austausches ist auch, dass der jeweilige Vorstand der Handwerkskammer gegen Ende des zehntägigen Austausches die Lehrlinge in ihren Betrieben besucht. Alle Teilnehmer haben uns bisher bescheinigt, dass sie diesen Austausch als inhaltlich hochinteressant, vor allem aber deswegen sehr beeindruckend fanden, weil sie in gastfreundlichen Familien Kontakte knüpfen konnten. Diese gehen in den allermeisten Fällen weit über den eigentlichen Austausch hinaus. Es gab schon Besuche von Lehrlingen in den jeweiligen Familien in beiden Ländern einige Jahre nach dem Austausch. Für uns ist dieser Austausch eine echte Erfolgsgeschichte!

Frage: Sie haben kürzlich nicht nur die Auszubildenden aus Frankreich hier im Saarland begrüßt, sondern sie sind einige Tage zuvor mit einer Delegation der saarländischen Landesregierung zu Gast in der Normandie gewesen. Die Partnerschaft mit Frankreich scheint Ihnen sehr am Herzen zu liegen. Welche Unterstützung erleben Sie seitens der Politik?

Antwort: Wir begrüßen das Engagement der Landesregierung, das die Kooperation mit Frankreich nicht nur auf den Grenzraum beschränken möchte. Dies ist ja auch Bestandteil der Frankreichstrategie. Es freut uns, dass die Landesregierung, als erste Region außerhalb Lothringens, gerade die Normandie ausgewählt hat, sicherlich auch deshalb, weil wir seit 30 Jahren einen so fruchtbaren Lehrlingsaustausch pflegen. Gerade in der heutigen Zeit, in der die europäische Integration nicht überall und von allen mit ganzem Herzen betrieben wird – Stichwort Brexit -, halten wir diese menschliche und persönliche Erfahrung für sehr wichtig. Sie zeigt den Teilnehmern, aber auch allen Kollegen, Freunden und Angehörigen, die im Umfeld der Teilnehmer davon erfahren, dass die deutsch-französische Freundschaft und die europäische Integration nicht nur eine ökonomisch-technische Frage von Handelserleichterungen und wirtschaftlichen Abläufen ist. Es geht bei diesem Thema immer auch um das Kennenlernen und Verstehen von Menschen, die zu Freunden werden und in anderen Ländern wohnen. 
Wir sind glücklich, dass wir mit unseren Freunden der Chambre de métiers de la Manche in Coutances ideale Partner für unser grenzüberschreitendes Engagement an unserer Seite haben. Wenn unsere Partnerschaft im Saarland als vorbildlich und sogar beispielhaft auch für andere Wirtschaftsbereiche angesehen wird, macht uns das stolz.

Frage: Die grenzüberschreitende Ausbildung ist ja ein wichtiges Element der Frankreichstrategie der Landesregierung. Wird die Frankreichstrategie engagiert genug gelebt?

Antwort: Die Frankreichstrategie eignet sich weniger als Wahlkampfschlager oder für sogenannte ‚Quickwins‘. Sie ist ein Generationenprojekt mit hohem Anspruch. Immerhin beinhaltet sie den Anspruch, Französisch innerhalb einer Generation neben dem Deutschen zur Verkehrssprache im Saarland zu machen. Ausbildungsfragen spielen dabei eine wichtige Rolle. Die beruflichen Bildungssysteme in Deutschland und Frankreich sind durchaus ähnlich, aber sie unterscheiden sich auch in vielen Details. Insofern ist der Ansatz, die praktische Ausbildung im Partnerland und die theoretische Ausbildung und Prüfung im Heimatland zu absolvieren, eine interessante Alternative zur konventionellen Ausbildung, die vollständig im Heimatland stattfindet. Im Wesentlichen gibt es dabei aus unserer Sicht zwei Hemmnisse. Zum einen haben wir unterschiedliche organisatorische und rechtliche Bildungssysteme, beginnend etwa bei der Dauer der Ausbildung und bei vielen Details bis hin zur Überbetrieblichen Lehrlingsunterweisung. In ihrer Summe machen diese Unterschiede ein solches Modell nicht einfach. Dazu zählen auch die unterschiedlichen Vergütungen und die Höhe des Mindestlohns in Frankreich. Zum zweiten sind es die fehlenden Sprachkenntnisse, die auch ein solches Modell erschweren. Das ist nach wie vor eine hohe Hürde für viele, auch junge Menschen. Allein deshalb schon unterstützen wir die Frankreichstrategie der Landesregierung.

Frage: Gibt es weitere Möglichkeiten bei der Zusammenarbeit im Rahmen der deutsch-französischen Kooperation? Was kann unsere Handwerkskammer hier konkret leisten?

Antwort: Wir können uns eine intensivere Kooperation bei der Beschäftigung qualifizierter Gesellen und Facharbeiter vorstellen. Hier wäre vielleicht denkbar, interessierten Facharbeitern Auffrischungskurse anzubieten, so dass eine Beschäftigung leichter möglich ist. Unsere Handwerkskammer ist eine der drei Leitkammern für französische Abschlüsse im Rahmen des Anerkennungsgesetzes. Hier haben wir eine Reihe von Anfragen, die wir auch als unseren Beitrag zur Fachkräftesicherung im saarländischen Handwerk bearbeiten können. Wir stehen in diesem Zusammenhang auch im engen Kontakt mit unseren Partnerkammern an der Grenze, also in Metz und in Straßburg, aber vor allem auch mit unserer Partnerkammer in Coutances.


Saarbrücken, 12. Oktober 2016