"Im Autohandel wirkt die Diesel-Diskussion toxisch"


Niklas Burmester, Geschäftsführer des saarländischen Kfz-Verbandes

Niklas Burmester, Geschäftsführer des saarländischen Kfz-Verbandes

Im Interview fordert Niklas Burmester, Geschäftsführer des saarländischen Kfz-Verbandes, mehr Transparenz von Herstellern.

Seit 2010 führt Niklas Burmester als Geschäftsführer das Hauptamt des saarländischen Kfz-Gewerbes an. Im DHB-Interview macht er deutlich, was von der aktuellen Diskussion um den Diesel zu halten ist. Burmester stellt eine "Diskussionsverengung" auf Elektroantriebe fest. Man müsse bei aller Diskussionsfreude den Marktmechanismen ihren Spielraum lassen. Die Antriebe müssten technologieoffen weiterentwickelt werden.
 
DHB: Welche Auswirkung hat die aktuelle Diskussion um die Verbrennungsmotoren auf das saarländische Kfz-Handwerk?

Burmester: Für den Werkstattservice gibt es keine Auswirkungen. Stand heute sind 99% aller Fahrzeuge im Fahrzeugbestand mit Verbrennungsmotoren ausgestattet – die Fahrzeuge müssen in den Werkstätten gewartet und repariert werden. Im Autohandel hingegen wirkt die Diskussion hoch toxisch. Viele Autohändler haben das Gefühl, dass die Folgen der Arroganz und Intransparenz der Hersteller, die Folgen der unglücklichen Rolle der Politik in der Definition von Grenzwerten und Messverfahren sowie die Auswirkungen der teilweise überspitzten und überhitzten Berichterstattung vor allem auf ihren Knochen ausgetragen werden.

DHB: Welche Rolle spielt zukünftig aus Ihrer Sicht der Elektroantrieb und was bedeutet das für Ihr Gewerk im Saarland?

Burmester: Die Marktbedeutung des E-Antriebs wird schon ausweislich der zunehmend auf den chinesischen Markt ausgerichteten Modellplanungen der Hersteller wesentlich zunehmen. In der Tendenz wird damit das Wartungs- und Reparaturvolumen abnehmen, weil ein E-Motor viel weniger verschleißanfällige Bauteile hat als ein Verbrennungsmotor. Darauf wird sich das Kfz-Handwerk mittelfristig einstellen müssen. Abrupte Verwerfungen befürchte ich nicht, weil die Erneuerung eines Fahrzeugbestands von 620.000 Pkw mit Verbrennungsmotor im Saarland bei einem jährlichen Neuwagenabsatz von 35.000 PKW auch bei explosionsartig ansteigendem Marktanteil von E-Antrieben sehr lange dauern wird.

DHB: Welche Antriebstechnologie wird sich aus Ihrer Sicht durchsetzen und welche Konsequenzen hat das auf die Ausbildung?

Burmester: Dass es auf Dauer sinnvollere Verwendungszwecke für endliche fossile Rohstoffe gibt als die im Grundsatz schadstofferzeugende Verbrennung in Motoren, ist doch klar. Was aber nichts bringt, ist eine jegliche Marktmechanismen außer Acht lassende Diskussionsverengung auf E-Antriebe. Ich bin ein Anhänger der technologieoffenen Weiterentwicklung von Antriebstechnik. Lassen wir die Autohersteller Angebote machen und die Kunden entscheiden. Dem Primat der Politik entspricht es, Vorgaben in Form von realistischen Schadstoffgrenzwerten zu setzen. Welche Produkte dann aber von den Kunden zur Erfüllung ihrer Mobilitätserfordernisse und –bedürfnisse gekauft werden, sollte weder von der Politik noch von der Deutschen Umwelthilfe vorgegeben werden.
Was die Konsequenzen für die Ausbildung angeht – das kriegen wir hin. Die Art von Antriebstechnologie, die zukünftig im Auto verbaut wird, macht die Branche zum aktuellen Gegenstand ihrer Ausbildung. Im Saarland können die Kfz-Betriebe Hand in Hand mit dem innungseigenen Kfz-Trainingszentrum ausbilden. Damit sichern wir ein Höchstmaß an Ausbildungsqualität. Und wenn es dem Handwerk gelingt, dem Staat klar zu machen, dass sich die Gleichwertigkeit akademischer und dualer Ausbildung auch in der Finanzierung handwerklicher Bildungsstätten ausdrücken muss, dann wird es noch besser funktionieren.

DHB: Wie sehen Sie die zukünftige Entwicklung der freien Kfz-Werkstätten mit Blick auf die technische Entwicklung der Fahrzeuge?

Burmester: Mittelfristig können freie Werkstätten nur mit dem diskriminierungsfreien Zugang aller Kfz-Betriebe zu den Hersteller-Fahrzeugdaten am Markt überleben. Dafür setzen sich die Kfz-Verbände mit starker Unterstützung des ZDH nachdrücklich ein. Sie können dabei auch auf die Unterstützung vieler Markenbetriebe setzen, weil diese verstanden haben, dass Hersteller mit einseitiger Datenmacht auch die Betriebe des eigenen Netzes nach Gutdünken am Geschäft beteiligen oder ausschließen können. Ist dieser Zugang gesichert, hat eine professionell geführte freie Werkstatt nach wie vor beste Marktchancen.

DHB: Die Digitalisierung verändert fast alle Lebensbereiche. Was bedeutet das für das saarländische Kfz-Handwerk?

Burmester: Wir müssen uns mit verändern. Wir wissen doch schon, wie andere Branchen durch branchenfremde neue Marktteilnehmer durcheinander gewürfelt worden sind und weiter durcheinander gewürfelt werden. Daraus kann man durchaus Schlüsse ziehen und es besser machen als andere. Dass dabei die Kundenbedürfnisse an erster Stelle stehen, muss man zumindest den Handwerksunternehmern, die ein Amazon-Konto haben, nicht mehr erzählen.