Interview mit Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger


Das Gespräch mit Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (2.v.li.) führten im Beisein ihrer Pressereferentin Kathrin Fries (li.) HWK-Hauptgeschäftsführer Dr. Arnd Klein-Zirbes (2.v.re.) und HWK-Pressesprecher Dietmar Henle (re.)

Digitalkompetenz zur Marke machen
Die saarländische Landesregierung setzt in der neuen Legislaturperiode der Großen Koalition weiter auf das Handwerk. „Es ist eines der Standbeine der Saarwirtschaft“, sagt Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger (SPD) im Interview mit dem Deutschen Handwerksblatt. Im Rahmen eines mit der Handwerkskammer des Saarlandes abgestimmten „14 Punkte-Plans“ würden die Rahmenbedingungen für das Handwerk im Land kontinuierlich verbessert. Dazu gehören Existenzgründungen und Unternehmensnachfolge, Innovation und Technologie, Fachkräftesicherung und Infrastruktur, besonders die nötige Aufrüstung der digitalen Infrastruktur. Rehlinger kündigt für 2018 die Schaffung einer „Netzwerkstelle Digitalisierung“ unter Einbeziehung der HWK des Saarlandes an. Die HWK spricht sich deutlich dafür aus, Digitalisierungsberater bei der HWK-Unternehmensberatung anzusiedeln.


DHB: Sehr geehrte Frau Ministerin, welches sind die Schwerpunkte Ihres Hauses für die neue Legislaturperiode?
Rehlinger: Die Themen des Ministeriums spiegeln sich im Koalitionsvertrag auf mehr als 60 Seiten wider. Bei der Wirtschaftspolitik wird Bewährtes fortgeführt – etwa die weitere Verbesserung der wirtschaftsnahen Infrastruktur und der Förderprogramme sowie die Gründerförderung. Aber es kommt auch viel Neues dazu, etwa das „Change Management Center“, das wir aufbauen wollen, um Veränderungen in der Wirtschaftsstruktur besser steuern zu können. Die unterschiedlichsten Aspekte der Digitalisierung werden wir anpacken, auch unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Weiterbildung. Ich hätte gern, dass Digital-Kompetenz so etwas wie ein Markenzeichen unseres Landes wird.
In der Arbeitsmarktpolitik steht die Fachkräftesicherung genau so im Fokus wie die öffentlich geförderte Beschäftigung für diejenigen mit schlechteren Chancen. Schon bald werden wir eine Beratungsstelle für Wanderarbeiter einrichten, damit diese unseren Arbeitsmarkt unter fairen Bedingungen bereichern können.
Ein Megathema werden natürlich Investitionen sein, von denen die Standortqualität insgesamt profitiert. Den Planungs- und Genehmigungsvorlauf werden wir schlanker und besser machen, damit die Investitionsoffensive möglichst schnell in Gang kommen kann.
 
DHB: Der Koalitionsvertrag bekennt sich ausdrücklich zum „Industrieland Saar“. Welche Bedeutung messen Sie dem Wirtschaftsbereich Handwerk im Saarland bei?
Rehlinger: Das Handwerk hat ein eigenes Kapitel im Vertrag. Die Koalitionsparteien bekennen sich zu ihm, und nicht erst in der neuen Wahlperiode. Wir sehen im Handwerk eines der Standbeine der Saarwirtschaft. Dass es mit einem Allzeithoch in das laufende Geschäftsjahr gestartet ist, bildet eine gute Basis dafür, die Wirtschaftskraft des Landes in den nächsten Jahren zu stärken.
Wir kümmern uns aber auch um die Sorgen, von denen das Handwerk berichtet. Zum Beispiel wenn es um geeignete Mitarbeiter und Auszubildende geht. Wir werden dafür sorgen, dass alte Klischees aus der Welt geschafft werden. Handwerk ist auch High-Tech, das wollen wir jungen Menschen vermitteln.
Unsere gemeinsam mit der Handwerkskammer abgestimmten „14 Punkte“ werden seit dem letzten Jahr abgearbeitet. Ziel ist es, die Rahmenbedingungen des Handwerks im Saarland zu verbessern. Existenzgründungen und Unternehmensnachfolge, Innovation und Technologie, Fachkräftesicherung und Infrastruktur – das sind die Themen, die wir zusammen mit dem Handwerk angehen.
 
DHB: Die neue Landesregierung stellt den Hochschulen einen zweistelligen zusätzlichen Millionenbetrag zur Verfügung. Wie ernst nimmt die Landesregierung die häufig formulierte Gleichstellung der beruflichen mit der akademischen Bildung?
Rehlinger: Sehr ernst. Zum beruflichen Erfolg führen viele Wege. Das ist der Punkt. Jemand, der nach einem guten Schulabschluss eine Ausbildung macht und dann seinen Meisterbrief erwirbt, kann ja anschließend auch noch studieren und hat am Ende sehr gute Verdienstmöglichkeiten. So durchlässig ist unser Bildungssystem heute glücklicherweise. Ich werde mich jedenfalls für die duale Ausbildung in den nächsten Jahren stark machen.
Die Anpassung des Meister- oder Aufstiegs-BAföG war auch ein wichtiger Schritt. Sie hat höhere Fördersätze, höhere Zuschussanteile und höhere Freibeträge für Meisterschülerinnen und -schüler gebracht. Das war ein enorm wichtiger Beitrag.
Auch der „Meisterbonus“ gehört in diesen Zusammenhang. Weiterbildungschancen dürfen nicht an Gebühren scheitern. Dem Ministerrat legen wir schon in Kürze ein Eckpunktepapier zum Meisterbonus vor. Wir wollen die Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung voranbringen, die duale Ausbildung attraktiver machen. Ziel: Wer in Zukunft in den Handwerksberufen seine Meisterprüfung ablegt, soll unbürokratisch eine pauschale Prämie bekommen. Unterschiedliche Varianten sind möglich, darüber reden wir noch mit der Kammer.
Im Handwerk legen 2017 mehr als 270 Meister/innen ihre Prüfung ab. Somit wäre bei einer Prämie von 1.000 Euro von Kosten bis zu 300.000 Euro pro Jahr auszugehen.

 
DHB: Stichwort Digitalisierung: Es sollen Digitalisierungsberater eingesetzt werden. Welche konkrete Rolle sollen die Wirtschaftskammern dabei spielen?
Rehlinger: Große Unternehmen sind für die Digitalisierung gewappnet, kleine und mittlere Unternehmen oft noch nicht. Der Unternehmer ist meist zugleich noch Personaler und EDV-Experte. Know-how muss dann nebenbei erarbeitet werden, dabei wollen wir helfen. Die mit der Digitalisierung verbundenen Fragen sind akut. Wir brauchen keine grundsätzlichen theoretischen Erörterungen mehr, wir brauchen praktische Hilfen, strategische Linien.
Wir bauen dazu im Wirtschaftsministerium eine Netzwerkstelle Digitalisierung auf. Vorbereitende Gespräche laufen, Start soll 2018 sein.
Es geht unter anderem darum, für die KMU mehr Transparenz herzustellen sowie vorhandene Aktivitäten und die künftigen Digitalisierungsberater zu koordinieren.
Diese Berater können sehr nützlich sein. Wir planen, sie direkt in den Institutionen anzusiedeln, die die wichtigsten Ansprechpartner für die Unternehmen sind: Kammern und Wirtschaftsfördergesellschaften. Die Digitalisierungsberater haben die Aufgabe, zu Fragen rund um das Thema Digitalisierung den Unternehmen zur Verfügung zu stehen. Ich werde schon in den nächsten Wochen die Voraussetzungen dafür schaffen.
 
DHB: Wann gibt es im Saarland flächendeckend ein konkurrenzfähiges, schnelles Internet? Gibt es einen konkreten Fahrplan?
Rehlinger: Der Ausbau unserer digitalen Infrastruktur läuft. Bis Ende 2018 wird es landesweit schnelles Internet geben. Dann werden rund 75.000 Haushalte und Gewerbebetriebe in mehr als 200 Ortsteilen leistungsfähige Verbindungen haben. Wir reden jetzt über 50 MBit, das ist sicher nicht das Ende der Fahnenstange, aber es ist eine gute Ausgangsbasis für die weitere Entwicklung. Irgendwann müssen wir glasfasergestützt möglichst überall im GigaBit-Bereich landen. Deshalb ist es richtig, den Breitbandausbau jetzt so aufzusetzen, dass die Leitungen für den Glasfaservollausbau genutzt werden können.
 
DHB: Welche Schwerpunkte setzt die neue Landesregierung beim Ausbau der Infrastruktur? Welche konkreten Maßnahmen sollen schnellstmöglich angegangen werden?
Rehlinger: Vor uns liegt das wohl größte Investitionsprogramm in der Geschichte unseres Landes. Neben Breitband steht die Verkehrsinfrastruktur im Fokus. Da werden wir Prioritäten setzen und festlegen, welche Straßen und Brücken wann und in welcher Reihenfolge instandgesetzt werden. Ich denke, dass wir diese Agenda nach den Sommerferien vorlegen können.
Für den Straßenbau habe ich eine stärkere Kooperation mit der Bauwirtschaft angeregt, auch die wird bald kommen. Sie trägt dazu bei, das Baustellenmanagement zu verbessern. Die Kapazitäten der Firmen sind dabei ein wichtiger Faktor. Andererseits können wir unser Land auch nicht mit Baustellen zupflastern. Zum Baustellenmanagement gehört beispielsweise die Prüfung, inwieweit auf Autobahnen und anderen Straßen häufiger auch an Wochenenden und nachts gearbeitet werden darf oder welche zusätzliche Lkw-Fahrt sich am Wochenende genehmigen lässt.
 
DHB: Die Gründerquote ist im Saarland zu gering. Das Saarland rangiert laut KfW-Gründungsmonitor 2016 bundesweit auf dem vorletzten Platz. Was unternimmt die neue Landesregierung, um hier eine spürbare Besserung zu realisieren?
Rehlinger: Die gute Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt macht sich in ganz Deutschland bemerkbar. In so einer Situation wird immer weniger gegründet. Das ist bei uns nicht anders. Auch die historisch gewachsene Struktur der Saarwirtschaft spielt eine Rolle. Die Gründerquote ist also kein irritierendes Signal. Der Blick in die Statistiken weist sogar für das Gründergeschehen im Saarland eine sehr positive Entwicklung auf. Nirgends war 2016 der Zuwachs bei den freiberuflichen Gründern so hoch wie im Saarland. Zugleich sind die Liquidationen um 11 Prozent zurückgegangen.
Das ist ein guter Grund, unvermindert auf die Motivationskampagne „Dein Sprung in die Selbstständigkeit“ zu setzen. Die Handwerkskammer ist dankenswerter Weise ein sehr aktiver Partner in der Saarland Offensive für Gründer. Das Netzwerk hat sich bewährt, Informationsveranstaltungen wie die regelmäßigen SOG-Gründer-Shops kommen gut an und werden von den meisten Teilnehmern als sehr ergiebig eingeschätzt.
Es kommt mir gar nicht darauf an, eine möglichst hohe absolute Zahl von Gründungen zu erreichen, sondern die Zahl der stabilen Gründungen zu erhöhen. Die Erfahrung lehrt, dass eine gezielte Beratung dazu das Ihre immer beitragen kann.
 
DHB: Andere Bundesländer haben neben einem Meisterbonus auch eine Gründerprämie für Handwerksmeister eingeführt. Sachsen-Anhalt z.B. unterstützt handwerkliche Gründer mit knapp 10.000 Euro, ohne dass ESF-Mittel dahinterstehen, die oft ein kompliziertes Antragsverfahren nach sich ziehen. Wann kommt eine solche Gründerprämie im Saarland?
Rehlinger: Es gibt unterschiedliche Denkmodelle, die auch im Saarland diskutiert werden. Sachsen-Anhalt hat eines davon gewählt. Die Erfahrungen damit werden wir uns gemeinsam mit der Kammer und unserem SOG-Netzwerk genau anschauen. Dann wird man sehen, ob und was wir daraus lernen können. Auch in einigen anderen Bundesländern gibt es ja Prämien, und die Nachfrage ist nicht überall so, wie man sie sich vorgestellt hatte. Teilweise sind erhebliche Eigenbeiträge der Gründer eine hohe Hürde.
Wir haben im Saarland mit unserer Saarland Offensive für Gründer schon ein beachtliches Instrumentarium. Von ihm profitieren auch viele junge Handwerker, sei es als Existenzgründer oder als Unternehmensnachfolger. Beim SOG-Netzwerktreffen war es bereits Thema, wie man bei Beratung und Förderung auf das Handwerk noch direkter eingehen kann. Das wollen wir schon bald erreichen.
 
DHB: Die Kampagne „Perspektive Handwerk“ der Landesregierung hat im vergangenen Jahr für Aufsehen gesorgt. Ein Kernelement der Kampagne war der 14-Punkte-Plan. Wie geht es jetzt weiter?
Rehlinger: Wie vorhin schon angedeutet: Die Förderung der beruflichen Erstausbildung und der Qualifizierung bleibt für mich zentral. Landesprogramme wie „AnschlussDirekt“, „Ausbildung Jetzt“ oder das Förderprogramm „Kompetenz durch Weiterbildung“ helfen ungemein. Dazu kommt die Finanzierung der Meister- und Technikerschule bis 2022. Das Land übernimmt rund ein Drittel der Kosten der überbetrieblichen Lehrgänge des Handwerks.
Ich bin sehr froh, dass die Handwerkskammer so engagiert mit uns zusammenarbeitet. Ich halte das für die Erfolgsformel der Kampagne „Perspektive Handwerk“.
 
DHB: Das Handwerk spielt eine wichtige Rolle bei der Umsetzung von Klimaschutzzielen. Das gilt sowohl für die Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen beim Kunden als auch für Maßnahmen im eigenen Betrieb. Mit welchen Instrumenten stellt die Landesregierung die Umsetzung der vorhandenen Klimaschutzkonzepte in Landkreisen und Kommunen sicher? Wie wird das regionale Handwerk eingebunden?
Rehlinger: Mit dem Landesprogram ZEP kommunal kurbeln wir bis 2020 die energetische Sanierung in den Landkreisen, Städten und Gemeinden an. Die Förderung reicht von der Wärmedämmung bis hin zur Umrüstung auf hocheffiziente Straßenbeleuchtung. Für das Handwerk ist der Klimaschutz ein guter Markt. Bisher wurden über 100 Anträge bewilligt mit einer Investitionssumme von 25 Mio. Euro. Das meiste Geld ist in energetische Sanierungsmaßnahmen geflossen.
 
DHB: Im Koalitionsvertrag ist zu lesen, dass eine Steigerung der Energieeffizienz eigene Förderprogramme und Beratungsangebote benötigt. Die Förderprogramme von Bund und Land sind oft nicht auf die kleinen und mittleren Betriebe des Handwerks ausgerichtet und gehen häufig am Handwerk vorbei. Wie möchte die neue Landesregierung diese Lücke im Sinne des saarländischen Handwerks schließen?
Rehlinger: Das Saar-Lor-Lux-Umweltzentrum hat ein sehr sinnvolles Beratungsinstrument entwickelt. Es hilft die Energieeffizienz in Handwerksbetrieben zu steigern. Im Saarland wurden damit über 5.700 Handwerksbetriebe informiert und über 130 Beratungen durchgeführt. Wir sollten diesen Weg auch nach der Pilotphase weitergehen. Daraus soll mit unserer Unterstützung ein Energieeffizienznetzwerk werden. Dann hätten wir ein weiteres Angebot neben der Umweltberatung der Handwerkskammer.