Rechtsanwalt Olaf Jaeger: „Der Architektenwettbewerb wird zu spannenden Ergebnissen führen“


Oalf Jaeger äßert sich zur Modernisierung der HWK-Bildungsstätte

Rechtsanwalt Olaf Jaeger | Foto: © GESSNER Rechtsanwälte Partnerschaftsgesellschaft mbB

Rechtsanwalt Olaf Jaeger über den anstehenden Architektenwettbewerb der HWK und die Rolle von Vergabeplattformen bei Ausschreibungen
Rechtsanwalt Olaf Jaeger, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, begleitet die Handwerkskammer des Saarlandes (HWK) bei Vergaben im Zuge des Neubaus der HWK-Bildungsstätte.
 
DHB: Herr Rechtsanwalt Jaeger, Sie begleiten als Fachanwalt die Modernisierung unserer Bildungsstätte. Was sind dabei aus Ihrer Sicht die besonderen Herausforderungen?
RA Jaeger: Als Bau- und Vergaberechtler ist es grundsätzlich immer wieder eine spannende Aufgabe, einen Bauherrn bei der Projektierung und Umsetzung einer solchen Immobilie von Anfang an zu begleiten. Es geht zunächst darum, dass richtige Team zusammenzustellen (Projektsteuerung, Architekten und Ingenieure, sonstige Sonderfachleute), sodann die Bauaufgabe möglichst vollständig gemeinsam zu erarbeiten, damit dann später bei der Umsetzung durch die Baufirmen keine Verzögerungen und keine Kostensteigerungen eintreten. Das Zusammenspiel zwischen der hauptamtlichen Geschäftsführung und den verantwortlichen Ehrenamtlichen der Handwerkskammer stellt eine zusätzliche Herausforderung dar, denn so eine große Investition muss natürlich vor den Gremien auch verantwortet werden. Bei all diesen Aspekten sind die rechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten, aber auch die rechtlichen Spielräume kreativ auszuschöpfen. Hinzu kommt das exponierte Grundstück in unmittelbarer Nachbarschaft zum denkmalgeschützten Pinguisson-Bau, dem ehemaligen Kultusministerium, dessen zukünftige Sanierung und Nutzung leider immer noch offensteht. Aus diesem Grunde wird der jetzt eingeleitete Architektenwettbewerb sicherlich zu spannenden Ergebnissen führen.
 
DHB: Welche Rolle spielen bei solchen Projekten heute im Saarland elektronische Vergabeplattformen?
RA Jaeger: Aufgrund der Honorare und Bausummen müssen wir mindestens 80 Prozent aller Leistungen europaweit ausschreiben, wenn (wie bei dem Modernisierungsprojekt) die sogenannten EU-Schwellenwerte überschritten werden. Seit Oktober letzten Jahres muss dies zwingend ausschließlich in elektronischer Form erfolgen, hierbei bieten die Vergabeplattformen einerseits eine technisch sinnvolle Unterstützung, auch weil alle Bieter gleichermaßen über Ausschreibungen informiert werden, andererseits stellen sie aber auch gerade für kleinere Betriebe eine Hürde dar. Diese ist allerdings, jedenfalls wenn man die Vergaben nicht zu kompliziert gestaltet, gar nicht so hoch, wie mancher Handwerksbetrieb vielleicht glaubt. Es empfiehlt sich in jedem Fall, sich zukunftsgerichtet in diese Plattformen einzuarbeiten. Die Handwerkskammer bietet hierbei auch Fortbildungen an.
 
DHB: Hat sich die Einrichtung einer Kammer für Bausachen beim Landgericht Saarbrücken aus Ihrer Sicht bewährt?
RA Jaeger: Diese Frage kann ich mit voller Überzeugung bejahen. Seit fast 25 Jahren bin ich ausschließlich im Bereich Bau- und Architektenrecht sowie Vergaberecht tätig. In den ersten zwölf Jahren meiner Berufstätigkeit gab es noch keine Spezialisierung am Landgericht Saarbrücken für Bausachen. Seit es zwei Baukammern mit (je nach Besetzung) sechs bis sieben Richtern gibt, hat sich die Verfahrensdauer trotz der häufig langwierigen Begutachtungen durch Sachverständige fast halbiert und die Qualität der Entscheidungen und die Fachkunde der Richter enorm erhöht. Dies wird nicht nur von den damit befassten Anwaltskollegen so wahrgenommen, sondern auch von den Mandanten, die sich sehr häufig gut verstanden fühlen von den Richtern. Mittlerweile hat der Bundesgesetzgeber auf jahrzehntelangen starken Druck der Baujuristen die Einführung von Baukammern bundesweit verpflichtend zum 1. August 2018 eingeführt.
 
DHB: Spüren Sie bei Ausschreibungen die gute Auslastungssituation des saarländischen Handwerks und den Fachkräftemangel? Erhält man dadurch heute bei Ausschreibungen weniger Angebote als früher? Welche Auswirkungen hat das? 
RA Jaeger: Ja, das ist in der Tat leider recht deutlich zu spüren. Es ist zwar erfreulich für Wirtschaft und Handwerk, dass die Auftragsbücher voll sind, auch die Preise ziehen mittlerweile an, gar mancher Betrieb würde aber gerne noch mehr Aufträge ausführen und Kunden zufrieden stellen, wenn er über entsprechende zusätzliche Fachkräfte verfügen würde. Diese gibt es nicht, es finden überall auch Abwerbungen statt, was den großen Bedarf belegt. Da die Beteiligung an einer öffentlichen Ausschreibung aufwendig ist (früher ging man davon aus, dass man nur bei jeder zehnten Ausschreibung als Günstigster den Zuschlag erhält, also neun mal für den Papierkorb kalkuliert), überlegen es sich Betriebe heutzutage sehr gut, ob sie sich an einer neuen Ausschreibung beteiligen. Ich erlebe es verstärkt, dass bei manchen Gewerken nur ein Angebot und manchmal sogar gar keines abgegeben wird. Die Zeiten, in denen zehn und mehr Angeboteabgegeben wurden, sind schon länger vorbei, selbst bei Losen von über einer Million Euro. Das führt dazu, dass die Bausummen steigen und manchmal (weil kein Wettbewerb zustande gekommen ist) Ausschreibungen auch aufgehoben und wiederholt werden müssen, was dann wiederum zu einem zeitlichen Verzug führt.
 
DHB: Könnte das Vergaberecht vereinfacht werden – wenn ja, wie?
RA Jaeger: Diese Gretchenfrage wird jetzt seit 20 Jahren, seit das europäische Vergaberecht mit seinen Nachprüfungsinstanzen zum 1. Juli 999 verpflichtend gilt, permanent gestellt. Jede bisherige Reform, die eigentlich immer eine Vereinfachung zum Ziel hatte, hat neue Probleme hervorgerufen, hat insbesondere zu einer Rechtsunsicherheit geführt in der Anwendung, sodass dann erst nach einigen Jahren sich eine einheitliche Rechtsprechung herausgebildet hat – und bis dahin war dann aufgrund der nächsten Reform die Rechtslage schon wieder eine andere. Vor diesem Hintergrund plädiere ich dafür, nicht permanent etwas zu ändern, sondern lieber bestehende Regelungen mehrere Jahre in Kraft zu belassen. Ich sehe die Defizite eher in der ausbleibenden Anwendung von durchaus gestalterischen Möglichkeiten im Vergaberecht, weil nämlich die Vergabestellen hier unsicher sind (nicht zuletzt wegen der permanenten Änderungen), sodass Instrumente wie der wettbewerbliche Dialog für kreative Lösungen viel zu selten angewendet werden. Gleiches gilt für Qualitätsanforderungen, wobei zum Beispiel auch ökologische Aspekte gewichtet werden dürfen, in der Planung und Ausschreibung. Daher rührt das Jammern, dass immer der Billigste den Zuschlag erhält und schlechte Qualität abliefern würde. Spielregeln funktionieren dann am besten, wenn sie allen bekannt sind und von allen akzeptiert werden. Daher sollten sich die Akteure intensiv mit dem bestehenden Vergaberecht befassen und es sinnvoll für die jeweilige Aufgabe (und nicht statisch immer nach dem gleichen Strickmuster) anwenden, dann ist alles gar nicht so schwer und muss nicht permanent "vereinfacht" werden.