Rehlinger-Interview: „Bekenntnis zu einem starken Handwerk“


DHB-Interview mit Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger 2018

© Kerkrath

Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger kündigt Fortsetzung der Kampagne „Perspektive Handwerk“ an.
 
Die stellvertretende Ministerpräsidentin und Ministerin für Wirtschaft, Arbeit Energie und Verkehr sieht in den energetischen Förderprogrammen Auftragspotenzial für Handwerksbetriebe. Sie spricht über den flächendeckenden Breitbandausbau und die Fortsetzung der Handwerkskampagne ihres Ministeriums.
 
DHB: Die jüngsten Unwetter haben im Saarland zum Teil erhebliche Schäden bei der Infrastruktur und bei Unternehmen verursacht. Wie sieht die Bilanz aus, mit welcher Hilfe können betroffene Handwerksunternehmen rechnen?
 
Rehlinger: Wir haben im Ministerrat unmittelbar nach den schlimmen Unwettern ein Maßnahmenpaket beschlossen. Wir stellen als Landesregierung bis zu einer Million Euro bereit, weitere 1,5 Millionen kommen von den Kommunen. Für uns ist klar: Wir lassen die Opfer in dieser schwierigen Situation nicht allein. Wir wollen damit vor allem diejenigen Personen, kleinen Unternehmen und Vereine in den besonders betroffenen Orts- und Stadtteilen unterstützen, die aufgrund der Wetterereignisse in eine existenzbedrohende Notlage geraten sind. Durch unser Maßnahmenpaket wollen wir den Betroffenen vor Ort schnell und unbürokratisch helfen.
 
DHB: Bei der Umsetzung von Klimaschutzzielen spielt das Handwerk eine wichtige Rolle. Das gilt sowohl für die Realisierung von Energieeffizienzmaßnahmen bei Kunden als auch im eigenen Betrieb. Wie kann gewährleistet werden, dass Förderprogramme zur Energieeffizienzsteigerung und entsprechende Beratungsangebote, die sich im Koalitionsvertrag der Landesregierung wiederfinden, nicht an den kleinen und mittleren Unternehmen des saarländischen Handwerks vorbeigehen?
 
Rehlinger: Von unseren Förderprogrammen profitieren natürlich auch die örtlichen Handwerksbetriebe, da dadurch Aufträge generiert und Arbeitsplätze gesichert werden. Grundsätzlich verlangen wir für alle Förderprogramme, zu denen wir eine Förderrichtlinie erstellen, dass die Arbeiten von einem anerkannten Handwerksbetrieb ausgeführt werden müssen. Dazu lassen wir uns Nachweise von den Unternehmen ausstellen. Bei den derzeit laufenden Programmen wie z.B. Energiespeicher, E-Mobilität und ZEP kommunal werden unterschiedliche Handwerkerbranchen angesprochen. Für die Energiespeicher sind das Elektrofirmen, für die E-Mobilität Bauunternehmen und für ZEP kommunal überwiegend Fensterbauer, Dachdecker, Maler und Stuckateure.
Für Beratungsangebote von Kommunen, Privatpersonen sowie KMU steht die vom Wirtschaftsministerium unterstützte Energieberatung Saar zur Verfügung. Dort kann man sich gezielt über Förderprogramme des Landes und Bundes informieren.
 
DHB: Stichwort Infrastruktur: Wann gibt es überall im Saarland schnelles Internet?
Rehlinger: Der flächendeckende Breitbandausbau ist weiterhin auf der Agenda der Landesregierung. Der Ausbau unserer digitalen Infrastruktur läuft. Alle unterversorgten Bereiche im gesamten Land wurden identifiziert und zum Ausbau ausgeschrieben. Die Unternehmen, welche die Aufträge erhalten haben, haben sich verpflichtet, den Ausbau bis Ende dieses Jahres abzuschließen. Dann werden 97 % der betroffenen Haushalte mit mindestens 50 Mbit/s versorgt sein. Das ist natürlich noch nicht das Ende der Fahnenstange – aber ein wichtiger Schritt, für schnelles flächendeckendes Internet im Saarland. 
 
DHB: Das Handwerk benötigt vor Ort oft kleinere Gewerbegrundstücke bis zu 2.000 qm. Häufig werden seitens der Gemeinden jedoch größere Parzellierungen vorgesehen. Sehen Sie Möglichkeiten, hier gegenzusteuern?
Rehlinger: Die konkrete Erschließung und spätere Vermarktung der erschlossenen Flächen liegt in kommunaler Eigenverantwortung. Nach unseren Erfahrungen ist es aber durchaus so, dass sich durchweg flexible, bedarfsgerechte Lösungen in der konkreten Nachfragesituation ergeben. Die Kommunen haben ein originäres Interesse daran, gerade für das örtliche Handwerk und Unternehmerschaft in der eigenen Kommune passgenaue Lösungen anbieten zu können. Auch die konkreten Anfragen und Verkäufe von Grundstücken in den von uns geförderten Gewerbegebieten in der jüngeren Vergangenheit bestätigen dies. Weit mehr als die Hälfte betrifft Grundstücksgrößen von nicht mehr als 2.000 qm.
 
DHB: Die Fachkräftesituation verschärft sich zunehmend. Wie kann es gelingen, mehr junge Menschen für die duale Ausbildung, insbesondere im Handwerk, zu begeistern? Was erwarten Sie von den Kammern und was kann die Landespolitik hierbei leisten?
Rehlinger: Das System der dualen Ausbildung in Deutschland ist mit der engen Verzahnung aus Theorie und Praxis ein Erfolgsmodell, um das wir oft beneidet werden. Es muss uns gelingen, die jungen Menschen und insbesondere auch ihre Eltern davon zu überzeugen, dass eine duale Ausbildung keine Sackgasse ist, sondern zahlreiche Aufstiegs- und Fortbildungsmöglichkeiten bietet und eine gleichwertige Alternative zum Studium darstellen kann. Grundlage ist hierfür eine qualitativ hochwertige Ausbildung in den Betrieben und ein entsprechendes Engagement der Ausbildungsberatung bei den Kammern. Aber auch das Land ist gefordert. Ein gutes Beispiel für eine gelungene Zusammenarbeit sind aktuell die beiden Projekte „Ausbildungs-Coaches“ und „Migrations-Coaches“, mit denen die Kammern, die Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit und das MWAEV gemeinsam junge Menschen in eine betriebliche Ausbildung vermitteln wollen.
 
DHB: Die Kampagne „Perspektive Handwerk“, die Ihr Haus ins Leben gerufen hatte, beinhaltete einen 14-Punkte-Plan. Inwieweit ist er bereits umgesetzt, ist eine Fortsetzung der Kampagne geplant?
Rehlinger: Die Kampagne und der 14-Punkte-Plan zielen in erster Linie darauf ab, das positive Bewusstsein der saarländischen Bevölkerung für das Handwerk zu stärken, mehr junge Menschen zu einer Ausbildung im Handwerk zu animieren sowie die Rahmenbedingungen für das Handwerk insgesamt weiter zu verbessern. Dazu zählen neben dem großen Bereich der Fachkräftesicherung auch die Themen Existenzgründung bzw. Unternehmensnachfolge sowie Digitalisierung und Infrastruktur. Gerade die Themen Fachkräftesicherung und Verfügbarkeit von schnellem Internet sind die Stellschrauben, an denen es zu drehen gilt. Der 14-Punkte-Plan ist nicht in erster Linie ein Arbeitsprogramm, dessen Kapitel man irgendwann alle abhaken kann. Er ist unser Bekenntnis zu einem starken Handwerk, und wir werden ihn stetig weiterentwickeln. So ist für das kommende Jahr beispielsweise auch eine Neuauflage der Handwerkskampagne vorgesehen.
 
DHB: Ein großes Thema für unsere Handwerkskammer ist die Gleichstellung der beruflichen mit der akademischen Bildung. Der neue Meisterbonus ist hier ein wichtiges Signal. Mit welchen weiteren Schritten kann das saarländische Handwerk seitens der Landespolitik rechnen, damit in absehbarer Zukunft die genannte Gleichwertigkeit Wirklichkeit wird?
Rehlinger: Die berufliche Bildung verdient die gleiche Akzeptanz wie die akademische Bildung. Daher wollen wir die berufliche und die akademische Bildung besser miteinander verbinden. Wir wollen die „Höhere Berufsbildung“ als eine berufliche Bildungsmarke etablieren, mit deren Hilfe die berufliche Aufstiegsfortbildung – z.B. zum Meister/in, Techniker/in, Fachwirt/in - als eine gleichwertige Säule verankert wird. Die Einführung des Aufstiegs- bzw. Meisterbonus ist dabei ein erster Schritt, mit dem wir die Gleichwertigkeit verdeutlichen und die Attraktivität der beruflichen Ausbildung weiter steigern wollen. Darüber hinaus haben wir im Koalitionsvertrag vereinbart, gemeinsam mit den Kammern und den Sozialpartnern Berufslaufbahnkonzepte so auszubauen und weiterzuentwickeln, dass sie dem Bedarf der Wirtschaft an beruflich qualifizierten Fach- und Führungskräften noch stärker gerecht werden.
 
DHB: Welche Bedeutung messen Sie der Saarländischen Meister- und Technikerschule für den Standort Saarland bei? Wie bewerten Sie die Tatsache, dass deren Trägerschaft vor rund zehn Jahren von unserer Handwerkskammer übernommen wurde und welchen Beitrag sollte die Politik leisten, um die Zukunft dieser Vollzeitschule zu sichern?
Rehlinger: Die SMTS ist ein wichtiges Element der Fachkräftesicherung im Saarland - nicht nur für das Handwerk, sondern zunehmend auch für die Industrie. Das Land trägt nach wie vor einen Großteil der Kosten, insbesondere durch die Abordnung von Lehrpersonal und die Bereitstellung einer Sockelfinanzierung für Leitung und Verwaltung. Wir befinden uns derzeit in konstruktiven Gesprächen mit der Kammer, um die Schule auch über 2022 hinaus abzusichern.
Die private Trägerschaft hat ganz konkrete Vorteile: So kann die HWK Bundesmittel abrufen, die einer staatlichen Meisterschule nicht zur Verfügung stehen würden. Dadurch kann die Ausstattung der Schule immer auf dem neuesten technischen Stand gehalten werden. Indem Bund, Land und Kammer bei der Aufstiegsförderung gemeinsam die Lasten tragen, erreichen wir ein gutes Ergebnis für das saarländische Handwerk.
 
DHB: Dass die Gründerquote im Saarland erhöht werden muss, stellt kaum jemand in Frage. Andere Bundesländer haben eine Gründerprämie eingeführt, warum gibt es ein solches Instrument im Saarland noch nicht?
Rehlinger: Den Gründerinnen und Gründern im Saarland steht bereits eine breit gefächerte Palette an Unterstützungsangeboten für einen erfolgreichen Start in die Selbstständigkeit zur Verfügung. Neben einem umfassenden Beratungsangebot beinhaltet das Angebot der Saarland Offensive für Gründer auch finanzielle Fördermöglichkeiten - sowohl für Neugründer als auch für Unternehmensnachfolger. Hierzu zählen die besonders gründerfreundlichen Darlehen der Saarländischen Investitionskreditbank (SIKB), welche mit Mitteln des Saarlandes bezuschusst werden. Über das Beratungsprogramm des Saarlandes können Gründer und Übernehmer eines Unternehmens einen finanziellen Zuschuss für die professionelle Vorbereitung ihres Projekts mit Hilfe von sachkundigen Unternehmensberatern erhalten. Die kürzlich in Kraft getretene neue Richtlinie des Beratungsprogramms sieht für Handwerksunternehmen einen erhöhten Fördersatz von 75 Prozent der Beratungskosten vor.