„Weitere finanzielle Spielräume“


Interview mit dem saarländischen Ministerpräsidenten Tobias Hans

© Becker & Bredel

Ministerpräsident Tobias Hans im DHB-Interview zur Zukunft der Saarländischen Meister- und Technikerschule, zur Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung und zum Breitbandausbau.
DHB: Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Hans, welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht das Handwerk für das vielzitierte „Industrieland Saarland“?
Hans: Das eine ist ohne das andere nicht vorstellbar. Auch wenn das Saarland mit die am stärksten industrialisierte Region in Deutschland ist, braucht es einen soliden Mittelstand mit einem gut aufgestellten Handwerk. Mit 65.000 Beschäftigten bildet das Handwerk eines der wichtigsten Standbeine der Saarwirtschaft. Natürlich gibt es handwerksspezifische Fragen, auf die die Politik reagieren muss. Aber insgesamt unterscheiden sich die Problemstellungen eines Mittelständlers in der Industrie gar nicht so sehr von denen eines Mittelständlers im Handwerk. Es geht um Nachwuchsgewinnung, Fachkräftesicherung, Investitionen in die Infrastruktur, Technologietransfer. Deshalb sind Handwerk und Industrie gleichermaßen Adressaten unserer Mittelstandspolitik, die wir z.B. durch das neue Mittelstandsförderungsgesetz auf einen neuen, modernen Weg gebracht haben.
 
DHB: Auch die Rolle der Hochschulen steht immer wieder im Mittelpunkt öffentlicher Diskussionen. Gleichzeitig sprechen Sie sich für eine Gleichstellung der beruflichen mit der akademischen Bildung aus. Wie möchten Sie diese Gleichstellung in der Realität erreichen? Wie bildet sich das Ziel dieser Gleichstellung zukünftig im Landeshaushalt ab?
Hans: Die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung ist ein ganz wesentlicher Baustein für die Attraktivität der beruflichen Bildung. Es darf nicht um ein „Entweder - Oder“ gehen, sondern um eine sinnvolle Verbindung beider Wege. Das Bildungssystem muss durchlässig sein und die Übergänge zwischen beruflicher und akademischer Bildung entsprechend gestaltet werden.
Darüber hinaus investieren wir in unserem Land viel Geld in den Ausbildungsbereich. Mit einem „Sonderinvestitionsprogramms Berufsbildungszentren“, das im Januar vom Kabinett beschlossen wurde, stärkt das Saarland mit hohem finanziellem Aufwand die berufliche Bildung. Wir haben Programme, die Jugendliche unterstützen, eine Ausbildung aufnehmen zu können (Ausbildung jetzt!, AnschlussDirekt) – diese laufen alle sehr erfolgreich. Zudem führen wir ganz aktuell den sogenannten Meisterbonus – oder Aufstiegsbonus – ein, der jedem, der einen Meisterabschluss vor einer IHK, HWK oder der Landwirtschaftskammer erwirbt, 1.000 EUR sichert. Das ist sicherlich ein weiterer Beitrag zur Gleichstellung von beruflicher und akademischer Bildung. Uns geht es aber um mehr, nämlich dass die jungen Leute erkennen, dass eine Ausbildung nicht das Ende der Karriere ist. Im Gegenteil, mit einem Meister erwirbt man zusätzliche fachliche Fähigkeiten und auch die Möglichkeit, selbst einen Betrieb zu gründen oder zu übernehmen. Die duale Ausbildung bietet also Zukunft – gerade bei uns im Saarland.
Um die Gleichstellung von beruflicher und akademischer Bildung zu fördern, sind auch die Unternehmen gefordert und müssen hier einen wichtigen Beitrag leisten. Viele junge Leute beklagen mangelnde Übernahmeperspektiven, die Vergütung oder die Aufstiegschancen in den Betrieben. Das sind Themen, um die sich die Unternehmen sicherlich kümmern müssen, wenn sie für junge Menschen attraktiv sein wollen.
 
DHB: In den nächsten fünf Jahren stehen rund 2.000 handwerkliche Unternehmen zur Übernahme an. Mit ihnen verbunden sind Arbeits- und Ausbildungsplätze. Um sie zu sichern muss es eine ausreichende Zahl geeigneter Unternehmensnachfolger geben. Dabei spielt die Saarländische Meister- und Technikerschule (SMTS) als einzige Vollzeitschule dieser Art im Saarland eine wichtige Rolle. Laut Koalitionsvertrag hält die Landesregierung an ihrer bis 2022 geregelten Finanzierung fest. Wie soll es danach weitergehen?
Hans: Die Landesregierung steht derzeit in konstruktiven Gesprächen mit der Handwerkskammer über die Zukunft der SMTS. Es besteht Einigkeit darüber, dass die Schule eine hervorragende „Unternehmerausbildung“ bietet und insofern wichtiges Element der Gründerförderung ist und bleiben soll. Die neue Verwaltungsvereinbarung wird jetzt bis 2022 geschlossen. Nach aktuellem Verhandlungsstand sichert sie den Status quo ab, wird aber voraussichtlich auch einige ganz konkrete Festschreibungen, z.B. bei der Personalisierung, enthalten. Zugleich soll die Vereinbarung der Kammer die Möglichkeit eröffnen, die Gebühren der Lehrgänge eigenverantwortlich anzupassen. Und sie wird einen Passus enthalten, wonach bereits 2020 weitergehende Verhandlungen aufgenommen werden, um die Schule langfristig abzusichern. Mit der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen, die ab 2020 greift, ergeben sich möglicherweise weitere finanzielle Spielräume, die der Schule zugute kommen.
 
DHB: Das Handwerk hat vor zehn Jahren die Trägerschaft der SMTS übernommen. Der staatliche Bildungsauftrag wurde zu einem des Handwerks. Seither finanziert das saarländische Handwerk diese Einrichtung mit hohen Beträgen mit. Viele SMTS-Absolventen übernehmen als Führungskraft Verantwortung in anderen Wirtschaftsbereichen, die nicht in die Finanzierung der SMTS eingebunden sind. Auch profitieren andere Wirtschaftsbereiche von Akademikern, deren Ausbildung die Allgemeinheit zahlt, denn deren Ausbildung gilt als staatliche Angelegenheit. Wie gerecht ist das?
Hans: Die Landesregierung ist der Handwerkskammer sehr dankbar für die Übernahme der Trägerschaft über diese wichtige Einrichtung. Das Land trägt aber nach wie vor den Großteil der Kosten, insbesondere durch die Abordnung von Lehrpersonal und die Bereitstellung einer Sockelfinanzierung für Leitung und Verwaltung. Insofern ist hier kein grundsätzlicher Unterschied zwischen akademischer und beruflicher Ausbildung vorhanden.
Der Wechsel der Trägerschaft hat im Übrigen ganz konkrete Vorteile für die SMTS: Als privater Träger kann die HWK Bundesmittel abrufen, die einer staatlichen Meisterschule nicht zur Verfügung stehen würden. Dadurch kann die Ausstattung der Schule immer auf dem neuesten technischen Stand gehalten werden. Das Saarland in seiner Haushaltsnotlage könnte das so nicht leisten. Um im Bild zu bleiben: Die SMTS wirbt ebenso wie die Hochschulen erfolgreich Drittmittel ein, um ihre Grundfinanzierung aufzustocken. Indem Bund, Land und Kammer bei der Aufstiegsförderung gemeinsam die Lasten tragen, erreichen wir ein gutes Ergebnis für das saarländische Handwerk.
 
DHB: Unsere Handwerkskammer hat die Einführung des sogenannten ‚Meisterbonus‘ angeregt und begrüßt. Mit Blick auf die Gründerquote im Saarland wäre es aus unserer Sicht ordnungspolitisch sinnvoll, diesen Bonus mit einer Gründerprämie für diejenigen zu ergänzen, die auf Basis des handwerklichen Meisterbriefs ein Unternehmen gründen oder übernehmen. Wie sehen Sie das?
Hans: Bei dem saarländischen Aufstiegs-/Meisterbonus handelt es sich um eine finanzielle Anerkennung für bestandene Meister- und Fortbildungsprüfungen in bestimmten Bereichen. Mit ihm wird ein Anreiz geschaffen, sich beruflich fortzubilden und die eigene Qualifikation zu stärken. Dies kommt nicht zuletzt auch dem Wirtschaftsstandort Saarland insgesamt zu Gute, da beruflich qualifizierte Fachkräfte begehrt sind. Primäres Ziel ist dabei nicht die Förderung von Existenzgründungen, aber der Meisterbrief im Handwerk schafft nun einmal die besten Startbedingungen für eine Unternehmensgründung. Also hilft der Meisterbonus indirekt auch in diesem Bereich. Grundsätzlich können wir in der Förderung von Existenzgründungen und Unternehmensübernahmen mit unserer Saarland Offensive für Gründer (SOG) schon ein beachtliches Instrumentarium vorweisen, von dem selbstverständlich auch Handwerksunternehmen profitieren. Die neue Richtlinie des Beratungsprogrammsieht z.B. einen erhöhten Fördersatz für diejenigen vor, die sich vor einer Gründung oder Unternehmensübernahme im Handwerk beraten lassen wollen. Die Landesregierung macht mit ihren Partnern im SOG-Netzwerk insgesamt gute Erfahrungen mit niedrigschwelligen Angeboten, die unabhängig von der Branche sehr individuell auf die Bedürfnisse der jungen Unternehmerinnen und Unternehmer eingehen. Die Themen Nachfolge und Fachkräftesicherung stehen generell ganz oben auf der wirtschaftspolitischen Agenda. Mit dem „Meisterbonus“ unternimmt die Landesregierung eine außerordentliche Anstrengung zur Sicherung des Fachkräftebedarfs der Saarwirtschaft insgesamt. Aber angesichts unserer Haushaltsnotlage sehen wir momentan keine Möglichkeit, darüber hinaus eine „Gründerprämie“ auszuloben.
 
DHB: Das Handwerk spielt eine wichtige Rolle bei der Umsetzung von Klimaschutzzielen, sowohl bei der Umsetzung von Energieeffizienzmaßnahmen beim Kunden als auch im eigenen Betrieb. Im Koalitionsvertrag ist zu lesen, dass es im Sinne der Energieeffizienzsteigerung eigene Förderprogramme und Beratungsangebote geben soll. Wie kann aus Ihrer Sicht gewährleistet werden, dass diese nicht an den kleinen und mittleren Betrieben des saarländischen Handwerks vorbeigehen?
Hans: Bereits in der Vergangenheit haben unsere Landesförderprogramme immer gezeigt, dass sowohl im Wärme- wie auch im Strombereich Privatpersonen und Unternehmen mit einer Anschubfinanzierung bereit sind, in Effizienzmaßnahmen zu investieren bzw. ihr Verbrauchsverhalten umzustellen und dabei Einsparoptionen nutzen. Von solchen Förderprogrammen profitieren auch die örtlichen Handwerksbetriebe, weil dadurch Aufträge generiert und Arbeitsplätze gesichert werden.
Weiterhin gibt es gerade im Saarland aufgrund der guten Vernetzung und dem Zusammenspiel der verantwortlichen Ministerien mit der Verbraucherzentrale, der IHK, der ARGE SOLAR und der HWK viele zusätzliche Beratungsangebote, die auch Unternehmen vor Ort beraten und Effizienzmaßnahmen aufzeigen. Aber auch die Unternehmen selbst lernen durch die Gründung von Energieeffizienznetzwerken voneinander. Unterstützt werden die Aktivitäten durch die vom MWAEV geförderte Energieberatung Saar oder z.B. durch Infoveranstaltungen über die Handwerksinnung.
 
DHB: Sie haben in Ihrer Regierungserklärung unter anderem das Thema ‚Digitalisierung‘ angesprochen. Wie ist der Stand der Dinge beim Ausbau des schnellen Internets im ländlichen Raum? Wie geht es weiter?
Hans: Mit dem Projekt NGA-Netzausbau Saar verfolgen wir einen zentral gesteuerten Ansatz, um das Saarland flächendeckend und zügig mit schnellem Internet zu versorgen. Alle unterversorgten Bereiche im gesamten Land wurden identifiziert und zum Ausbau ausgeschrieben. Sie liegen hauptsächlich im ländlichen, aber auch im städtischen Raum. Die Aufträge wurden 2017 an die Deutsche Telekom, inexio und VSE NET vergeben. Die Unternehmen haben sich verpflichtet, den Ausbau bis Ende dieses Jahres abzuschließen. Dann werden 97 % der betroffenen Haushalte mit der heutigen Zielbandbreite von mindestens 50 Mbit/s versorgt sein. Damit erreichen wir einen wichtigen Zwischenschritt, auf dem kommende Netzausbaustufen aufsetzen können.
Denn künftig wird es darum gehen, diese Netze zu Gigabitnetzen weiterzuentwickeln. Mit der „Gigabitprämie Saarland“ hält die Staatskanzlei bereits seit letztem Jahr ein bundesweit einmaliges, punktgenaues Förderinstrument für Unternehmen bereit. Wie wir den Gigabitausbau mittelfristig in der Fläche gestalten wollen ist ein bundesweites Thema, das wir derzeit intensiv mit der Bundesregierung und den anderen Ländern diskutieren.
 

Weitere Informationen:

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