Wer ausbildet, investiert in die Zukunft


Interview mit HWK-Präsident Bernd Wegner zum Thema Fachkräftesicherung
DHB: Herr Wegner, in den vergangenen Jahren blieben nahezu 400 Ausbildungsplätze unbesetzt. Woran liegt das und wie kann dieser Entwicklung entgegengewirkt werden?
Wegner: Im Wesentlichen sind es zwei Ursachen, die zum Rückgang der Ausbildungsverträge geführt haben. Zum einen ist es der demografische Wandel. Die Anzahl der jungen Menschen geht auch in Zukunft stark zurück. Zum anderen: Der Trend zur Akademisierung hält weiter an. Heute haben junge Menschen viel mehr Auswahlmöglichkeiten im Hinblick auf ihre berufliche Qualifizierung. Immer mehr Abschlüsse berechtigen zum Hochschulstudium. Dabei fehlen unserer Wirtschaft Facharbeiter, beruflich qualifizierte Gesellen, Meister und Techniker. Kurz: Um ein Haus zu bauen, brauche ich einen Architekten und acht Maurer. Im Moment bilden wir aber acht Architekten und einen Maurer aus. Unsere Handwerkskammer begegnet dieser Entwicklung auf vielen Kanälen. Ein Beispiel ist unser YouTube-Kanal www.youtube.de/MachdeinDing, der interessante Handwerksberufe vorstellt. Freie Lehrstellen bewerben wir online über die App „Lehrstellenradar“. Zudem haben wir eine Azubi Hotline geschaltet, über die wir über freie Ausbildungsplätze informieren. Außerdem sprechen wir gezielt Studenten an, um sie über Karrieremöglichkeiten im Handwerk zu informieren. Dass einige Handwerksunternehmen ihrerseits gezielt auf Kooperation mit Schulen setzen, ist ebenfalls eine wichtige Maßnahme.
 
DHB: Was ist mit den Schulabgängern, die keine Lehrstelle finden, weil sie z.B. ein schlechtes Zeugnis haben? Müssen Betriebe da künftig mehr Förderung und Hilfe für solche Azubis leisten, einfach auch weil sie keine große Auswahl mehr haben?
Wegner: Zunächst ist festzuhalten, dass es Unterstützungsleistung in Form assistierter Ausbildung oder ausbildungsbegleitende Hilfe durch die Bundesagentur für Arbeit oder durch das Förderprogramm „Ausbildung jetzt“ des Wirtschaftsministeriums gibt. Wir sind für diese Hilfen dankbar. Es wäre für handwerkliche KMU besonders aufwendig, Hilfestellung zu geben im persönlichen, sozialen oder therapeutischen Bereich. Genau hier greifen diese Förderprogramme ja ein und unterstützen beispielsweise durch geschulte Sozialpädagogen. Und was unsere Betriebe nicht mehr auffangen können, ist ohne fachliche Unterstützung kaum zu bewältigen. Mir ist aber auch wichtig, darauf hinzuweisen, dass es meist nicht Schulnoten oder Lernprobleme sind, die den Ausbildungserfolg gefährden, sondern Defizite im persönlichen und sozialen Bereich.
 
DHB: Warum sollen Betriebe in die Ausbildung investieren?
Wegner: Die Investition in die Ausbildung stärkt die Wettbewerbsfähigkeit. Kompetentes Personal ist dafür eine Grundvoraussetzung. Ausbildung sichert den Unternehmen qualifizierte Fachkräfte mit der Befähigung hochwertige Produkte herzustellen und Dienstleistungen zu erbringen. Deshalb ist eine nachhaltige Ausbildung auch immer eine Investition in die Zukunft des eigenen Betriebes. Sie bietet zudem die Chance, junge Menschen langfristig nach den gewünschten unternehmerischen Anforderungen zu „formen“. Die Investitionen, die Unternehmer an Zeit und mitunter auch an Geduld aufwenden müssen, macht sich langfristig bezahlt. Unsere Ausbildungsberater und -vermittler helfen gerne, passende Bewerber zu finden.
 
DHB: Was können Unternehmen tun, um Bewerber für sich zu interessieren?
Wegner: Es wird zunehmend wichtiger, wie das Unternehmen sich selbst darstellt. Eine gute Visitenkarte zieht auch gute Bewerber an. Unternehmer müssen mehr denn je ihr Unternehmen als Ausbildungsbetrieb attraktiv nach außen darstellen. Und das beginnt schon bei der entsprechend gestalteten Homepage.
 
DHB: Welche Auswirkungen wird die Digitalisierung auf den Ausbildungsmarkt haben?
Wegner: Die Digitalisierung in der Bildung hat schon längst begonnen. Wir sind Vorreiter beim Forschungsprojekt KOLA. Dahinter verbirgt sich „Kompetenzorientiertes Lernen im Arbeitsprozess mit digitalen Medien“. Es geht darum, die Lernorte Betrieb, Berufsschule und ergänzende Lehrlingsunterweisung digital miteinander zu verknüpfen. So kann die intelligente Vernetzung und Nutzung gemeinsamer Plattformen beispielsweise zur Kostensenkung durch kürzere Fahrzeiten beitragen. Sie kann aber auch zu spürbar besseren Lernergebnissen führen, etwa wenn die gleiche Aufgabenstellung an allen drei Lernorten gemeinsam bearbeitet wird. Die Facetten der Digitalisierung sind vielfältig. Klar ist, dass die Anforderungen an alle im Bildungsprozess beteiligten Personen steigen werden.