„Jetzt Handwerk beauftragen“


Drei Männer bei der Konjunkturpressekonferenz

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HWK-Präsident Bernd Wegner: „Saar-Handwerk kann sich in der Krise als Stütze erweisen“
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie bremsen auch das saarländischen Handwerk: Das ist das Ergebnis der aktuellen Frühjahrsumfrage der Handwerkskammer des Saarlandes (HWK) unter 1.400 Handwerksunternehmen. Ihr zufolge hat sich das Konjunkturklima erheblich verschlechtert. Sinkende Auftragszahlen und eine negative Umsatzentwicklung kennzeichnen das erste Quartal. Für die kommenden Monate rechnen die Betriebe mit einer weiteren Verschlechterung der geschäftlichen Lage.

HWK-Präsident Bernd Wegner beobachtet die konjunkturellen Entwicklungen im Saar-Handwerk mit Sorge, ist sich jedoch sicher, dass sich die regionalen Handwerksbetriebe in der Krise als unverzichtbare wirtschaftliche Stütze erweisen können. An private wie öffentliche Kunden und Auftraggeber richtet der Präsident daher die Botschaft: „Handwerksunternehmen jetzt beauftragen! Der Zeitpunkt ist günstig, um Handwerkerinnen und Handwerkern den Zuschlag für fällige Arbeiten zu erteilen. In diesem Zusammenhang begrüßen wir das Inkrafttreten der neuen vereinfachten Vergabegrundsätze für Gemeinden, Gemeindeverbände, kommunale Eigenbetriebe und kommunale Zweckverbände, die seit dem 9. April gelten und befristet bis zum 31. Dezember 2020 unter anderem eine freihändige Vergabe von Bauleistungen bis zu einer Wertgrenze von 150.000 Euro vorsehen. Mit dieser Entscheidung hat die Landesregierung bei der Ausgestaltung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in dieser angespannten Lage Klugheit und Weitblick bewiesen“, so Präsident Wegner.

Noch treffe die Krise sein Gewerk kaum, berichtet Stuckateurmeister, HWK-Vollversammlungsmitglied und Geschäftsführer der St. Ingberter Albert Heib GmbH Oliver Heib. Ähnliches höre er als Bundesvorsitzender des Verbandes „Ausbau + Fassade“ von Kollegen in ganz Deutschland. Grund dafür sei, dass die Bauhandwerke mit einem soliden Auftragspolster in dieses Jahr gestartet seien. Hinzu komme, dass die öffentliche Hand als wichtiger Auftraggeber zu einem wesentlichen Teil der Umsätze beitrage. Im Falle seines Unternehmens seien es rund 30 Prozent. „Ein großes Hotelunternehmen, das zu unseren Kunden zählt, hat sich ebenfalls entschieden, jetzt zu investieren und seine Häuser zu renovieren. Solche Aufträge füllen aktuell unsere Auftragsbücher.

Ich halte es jedoch für realistisch, dass die Krise die Baugewerke zeitversetzt treffen wird, da der zeitliche Puffer irgendwann aufgebraucht ist. Auch Privatkunden legen jetzt durchaus mehr Zurückhaltung an den Tag, indem sie beispielsweise Aufträge verschieben“. Der Unternehmer begrüßt die vereinfachten Vergabegrundsätze für öffentliche Aufträge, wünscht sich jedoch eine Verlängerung der Regelung, die vorerst bis zum 31. Dezember 2020 gilt. „Eine Verlängerung bis ins nächste Jahr hinein würde den saarländischen Städten und Kommunen genügend Spielraum bieten, um durch freihändige Auftragsvergaben auf künftige Herausforderungen zu reagieren“, so Oliver Heib.

HWK-Hauptgeschäftsführer Dr. Arnd Klein-Zirbes weist auf die Umsetzung der verschärften Hygieneregelungen in den saarländischen Handwerksunternehmen hin, die alle Gewerke schnell und effektiv umgesetzt hätten: „Die saarländischen Handwerksunternehmen übernehmen Verantwortung für ihre Kunden und ihre Belegschaft. Das schafft Vertrauen.“ Viele Betriebe zeigten in dieser Situation Flexibilität und Innovationskraft, so der HWK-Hauptgeschäftsführer: „Wir beobachten, dass unsere Mitgliedsunternehmen der Krise konstruktiv begegnen, indem sie ihr Angebot im Rahmen der Handwerksordnung ausweiten, so zum Beispiel bei der Produktion von Spuckschutzwänden für Ladengeschäfte oder Desinfektionsspendern. Sie entwickeln zudem Online-Versandmodelle für Backwaren oder andere Produkte und bauen sie aus. Ich bin mir sicher, dass sich diese innovativen Ansätze auch nach der Krise noch bezahlt machen werden“, bemerkt Dr. Klein-Zirbes.

Lage im ersten Quartal 2020

Die Stimmung im saarländischen Handwerk hat sich eingetrübt. Schlechter war sie in den zurückliegenden zehn Jahren nur im Frühjahrsquartal 2013. Zwar geben immerhin noch drei Viertel (Frühjahr 2019: 94 Prozent) der Betriebe an, dass die Geschäfte gut oder befriedigend liefen. Jedoch sank der Anteil der Betriebe mit guter Geschäftslagebeurteilung auf 38 Prozent (Frühjahr 2019: 56 Prozent). 25 Prozent der Unternehmen (Frühjahr 2019: 6 Prozent) sprachen von einem schlechten Geschäftsverlauf.

Die Nachfrage nach handwerklichen Leistungen ging zurück. 42 Prozent der Betriebe berichten von einem gesunkenen Auftragsbestand. Lediglich 16 Prozent (Frühjahr 2019: 33 Prozent) verzeichneten ein Wachstum. Für 42 Prozent (Frühjahr 2019: 51 Prozent) blieben sie unverändert.

Negativ verlief auch die Umsatzentwicklung. 48 Prozent (Frühjahr 2019: 21 Prozent) schlossen das erste Quartal mit einem Minus ab. Nur noch 13 Prozent der Betriebe (Frühjahr 2019: 28 Prozent) konnten ein Umsatzplus verbuchen und für 39 Prozent (Frühjahr 2019: 51 Prozent) blieben die Umsätze konstant.

Die Auftragsreichweite lag im Frühjahr 2020 bei 6,9 Wochen, was einem Rückgang von 2,1 Wochen im Vergleich mit dem gleichen Vorjahreszeitraum entspricht. Die Auslastung der betrieblichen Kapazitäten lag bei durchschnittlichen 75 Prozent (Frühjahr 2019: 81 Prozent). Ein Viertel der Betriebe (Frühjahr 2019: 34 Prozent) gab an, zu mehr als 90 Prozent ausgelastet gewesen zu sein. 14 Prozent (Frühjahr 2019: 7 Prozent) hatten so wenige Aufträge, dass sie ihre Kapazitäten maximal bis zur Hälfte auslasten konnten.

Zwar hielt die Mehrheit die Beschäftigung stabil. So änderten 72 Prozent (Frühjahr 2019: 74 Prozent) der Befragten ihre Mitarbeiterzahl nicht. Jedoch schufen nur noch 9 Prozent (Frühjahr 2019: 15 Prozent) zusätzliche Arbeitsplätze, während 19 Prozent (Frühjahr 2019: 11 Prozent) ihren Personalbestand verringerten.

HWK-Geschäftsklimaindex

Das konjunkturelle Stimmungsbild spiegelt sich auch im Verlauf des HWK-Geschäftsklimaindex wider, der die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage sowie die Zukunftserwartungen der Unter¬nehmen abbildet. Zwar hat sich die aktuelle Lageeinschätzung verschlechtert. Der enorme Absturz des Index liegt aber vor allem an den negativen Zukunftserwartungen. Mit 68 Punkten liegt der Klimaindikator in diesem Frühjahr 52 Zähler unter dem Frühjahreswert 2019 und ist damit der schlechteste gemessene Wert in den zurückliegenden zehn Jahren.

Erwartungen für das zweite Quartal 2020

Die Prognosen sind von großem Pessimismus geprägt. Zwei Drittel (Frühjahr 2019: 6 Prozent) der befragten saarländischen Handwerksunternehmen erwarten eine Verschlechterung ihrer Geschäftslage in den kommenden Monaten. Gerade mal 7 Prozent (Frühjahr 2019: 26 Prozent) gehen davon aus, dass die Geschäfte im zweiten Vierteljahr besser laufen werden. 27 Prozent (Frühjahr 2019: 68 Prozent) der Inhaber sehen keine Veränderungen.
Die Auftragszahlen dürften dem Urteil der Betriebe zufolge ganz erheblich sinken. Nur jeder Zehnte (Frühjahr 2019: 28 Prozent) hofft auf ein Auftragsplus. Hingegen rechnen 65 Prozent (Frühjahr 2019: 8 Prozent) mit einem Nachfragerückgang. Insgesamt erwarten damit lediglich 35 Prozent (Frühjahr 2019: 92 Prozent) eine stabile oder steigende Nachfrage.

Auch bei den Umsätzen zeichnen sich Rückgänge ab. 69 Prozent der Befragten (Frühjahr 2019: 7 Prozent) gehen davon aus, das zweite Quartal mit einem Umsatzminus abzuschließen. Mit Zuwächsen rechnet nur jedes zehnte Unternehmen (Frühjahr 2019: 36 Prozent). 21 Prozent (Frühjahr 2019: 57 Prozent) prognostizieren eine stabile Entwicklung.

Der Abschwung hinterlässt auch bei den Beschäftigungsplänen der Betriebe Spuren. In den kommenden Monaten beabsichtigen nur 4 Prozent (Frühjahr 2019: 12 Prozent) der Betriebsinhaber, zusätzliches Personal einzustellen. Aber 33 Prozent (Frühjahr 2019: 4 Prozent) wollen die Mitarbeiterzahl reduzieren. 63 Prozent (Frühjahr 2019: 84 Prozent) werden den Personalbestand nicht verändern.

Branchenbetrachtung

Die Stimmung im saarländischen Handwerk hat sich hinsichtlich des Geschäftsverlaufs merklich verschlechtert. Für die kommenden Monate sind die Betriebe pessimistisch.
Auffällig ist, dass gerade die Betriebe des handwerklichen Baugewerbes, vor allem des Bauhauptgewerbes, die Lage im ersten Quartal noch überwiegend positiv bewerten. Hier stellt sich die Auftragslage im Vergleich mit den restlichen Handwerksbranchen noch einigermaßen gut dar. Bei den Handwerken des gewerblichen Bedarfs verschlechterte sich die Geschäftslage, infolge der Auftrags- und Umsatzeinbußen. Auch die Betriebsinhaber des Kraftfahrzeughandwerks, der konsumabhängigen Handwerke wie auch der Gesundheitshandwerke fällt die Beurteilung der Geschäftslage deutlich gedämpfter als noch vor einem Jahr aus. In diesen Handwerksbranchen gingen Nachfrage und Umsätze per Saldo zurück.

Beim Blick in die Zukunft ist das handwerkliche Bauhauptgewerbe deutlich zuversichtlicher als der Rest. Die Auftragsprognose fällt hier im Vergleich mit den übrigen Handwerksbranchen deutlich besser aus.

Saarbrücken, 12. Mai 2020