Anlässlich der Veröffentlichung des neuen saarländischen Wohnraumförderungsgesetzes sprachen wir mit Sandra Koch-Wagner, Leiterin der Obersten Landesbaubehörde und der Abteilung Landes- und Stadtentwicklung, Bauaufsicht und Wohnungswesen im saarländischen Ministerium für Inneres, Bauen und Sport. Im Interview erläutert sie, wie das regionale Handwerk von den neuen Förderprogrammen und gesetzlichen Regelungen profitieren kann. Sie erklärt, wie das Land den Wohnungsbau ankurbeln will, welche besonderen Herausforderungen das Saarland im Baubereich zu meistern hat und welche Rolle das Handwerk bei der Sanierung des großen Bestandes an alten Wohngebäuden spielen kann.
Interview: Thomas Klein
DHB: Frau Koch-Wagner, das saarländische Wohnraumförderungsgesetz ist in Kraft getreten. Was bedeutet das konkret für das Handwerk im Saarland?
Sandra Koch-Wagner: Mit dem neuen Wohnraumförderungsgesetz hat die saarländische Landesregierung die Grundlage geschaffen, um zielgerichtete und auf das Saarland zugeschnittene Förderprogramme zur Wohnraumförderung zu entwickeln und bestehende Programme anzupassen. Dabei war es uns wichtig, die Bürokratie für Bauherren zu reduzieren und den Verwaltungsaufwand gering zu halten. Bereits im November 2023 haben wir damit begonnen, Regelungen zu vereinfachen – zum Beispiel durch Erleichterungen bei der Auftragsvergabe: Private Bauherren müssen nun unabhängig von den Schwellenwerten und der Anzahl der Wohneinheiten, die sie errichten wollen, keine Vergabeverfahren mehr durchführen, sofern sie nicht gesetzlich dazu verpflichtet sind. Dies kommt unmittelbar dem Handwerk zugute, da die Bauherren häufig bereits wissen, mit welchen Handwerkern sie gut zusammenarbeiten wollen.
Die Wohnraumförderung wird überwiegend aus Bundesmitteln finanziert. Für das Programmjahr 2024 stehen rund 37,8 Millionen Euro an Bundesmitteln zur Verfügung. Diese Mittel werden durch Landesmittel ergänzt, so dass insgesamt rund 50 Millionen Euro für die soziale Wohnraumförderung zur Verfügung stehen. Im Jahr 2025 werden sich diese Beträge noch einmal erhöhen. Mit diesen Mitteln können wir sowohl den Neubau als auch die Sanierung, Modernisierung oder den Umbau von Wohnungen fördern – auch die Umnutzung von Gewerbeflächen zu Wohnraum ist möglich.
Die besondere Herausforderung im Saarland besteht darin, dass wir einen hohen Bestand an sanierungsbedürftigen Gebäuden haben, sowohl im Mietwohnungsbereich als auch im Bereich der Eigentumswohnungen und Eigenheime. Gleichzeitig ist das Durchschnittseinkommen im Saarland unterdurchschnittlich, was die Situation zusätzlich erschwert.
DHB: Das Vergabeverfahren im Bausektor soll vereinfacht werden. Was ist konkret geplant?
Koch-Wagner: Bereits seit 2020 ermöglicht das Saarland mit dem Vergabeerlass des Ministeriums für Inneres, Bauen und Sport den Kommunen, Bauleistungen schneller und unbürokratischer zu vergeben. Dabei wurden die Wertgrenzen gegenüber der VOB/A deutlich angehoben: Freihändige Vergaben sind bis zu einem Auftragswert von 150.000 Euro möglich, beschränkte Ausschreibungen bis zu einem Auftragswert von 1.000.000 Euro. Diese Erleichterungen beschleunigen das Vergabeverfahren erheblich und reduzieren den Aufwand für die Bieter – was insbesondere kleineren Handwerksbetrieben zugutekommt.
Derzeit plant die Bundesregierung unter Federführung des Bundeswirtschaftsministeriums eine umfassende Reform des Vergaberechts, das sogenannte Vergaberechtsreformpaket. Ziel der Reform ist es, die Vergabe öffentlicher Aufträge einfacher und schneller zu machen und dabei die Möglichkeiten der Digitalisierung besser zu nutzen.
DHB: In der neuen Landesbauordnung (LBO) sind Regelungen zu Aufstockung, Brandschutz und Stellplätzen geplant. Können Sie uns dazu mehr sagen und erklären, welche Vorteile das für Handwerksbetriebe bringt?
Koch-Wagner: Die Novelle der LBO befindet sich derzeit noch in der Beteiligungsphase, aber wir hoffen, sie noch in diesem Jahr verabschieden zu können. Auch wenn die endgültige Fassung noch nicht vorliegt, möchte ich einige der geplanten Neuerungen kurz erläutern. Eine wichtige Neuregelung betrifft die Stellplatzpflicht für Wohngebäude und Wohnheime. Künftig soll die Pflicht zur Schaffung von Stellplätzen entfallen, es sei denn, die jeweilige Kommune legt dies in einer eigenen Satzung fest. Damit geben wir den Kommunen mehr Spielraum, denn sie wissen am besten, wie die Situation vor Ort ist und wo tatsächlich Regelungsbedarf besteht.
Für Dachausbauten galt bisher, dass im unbeplanten Innenbereich, also in innerstädtischen Gebieten ohne Bebauungsplan, immer ein Baugenehmigungsverfahren erforderlich ist. Mit der neuen LBO-Novelle soll dieses Verfahren entfallen. Der Ausbau von Dachgeschossen zu Wohnzwecken und die Errichtung von Dachgauben sollen in den meisten Fällen genehmigungsfrei möglich sein.
Unser übergeordnetes Ziel mit dieser Novelle ist es, die Baugenehmigungsverfahren zu erleichtern und zu beschleunigen – kurz: zu entbürokratisieren. Deshalb haben wir auch mehr Bauvorhaben von der Genehmigungspflicht oder vom Verfahren freigestellt.
Für das Bauhandwerk bedeutet das: Die Betriebe profitieren direkt, wenn sie selbst bauen oder als Bauherr auftreten. Aber auch indirekt, denn die Vereinfachungen sollen die Bautätigkeit ankurbeln. Gerade kleinere Bauvorhaben, die durch die vereinfachten Genehmigungen gefördert werden, benötigen Fachleute aus der Region – eine klare Chance für leistungsfähige Handwerksbetriebe.
DHB: In der neuen Landesbauordnung ist eine Pflicht zur Installation von Photovoltaikanlagen (PV) auf gewerblichen Gebäuden und Stellplätzen vorgesehen. Welche Betriebe betrifft das, und gibt es finanzielle Unterstützung für die Umsetzung?
Koch-Wagner: Die PV-Pflicht in der LBO ist ein wichtiger Schritt, um das Saarland klima- und energiepolitisch fit für die Zukunft zu machen. Diese Anlagen tragen nicht nur zur Senkung der Energiekosten bei, sondern verbessern auch die Nachhaltigkeit der Betriebe. Die Pflicht zur Installation von PV-Anlagen oder alternativ solarthermischen Anlagen zur Wärmeerzeugung gilt für alle gewerblich genutzten Immobilien. Das betrifft Betriebe aus Handel, Gewerbe, Industrie und Verkehr.
Konkret bedeutet das: Bei Neubauten oder umfassenden Dachsanierungen von Gebäuden mit mehr als 100 m² Bruttodachfläche müssen mindestens 60 Prozent der Nettodachfläche mit einer PV-Anlage ausgestattet werden. Bei der Errichtung von 35 oder mehr gewerblich genutzten Stellplätzen müssen mindestens 60 Prozent der dafür geeigneten Flächen mit einer PV-Anlage belegt werden.
Diese Pflichten gelten für Bauanträge, die nach dem 1. September 2025 eingereicht werden, bzw. für genehmigungsfreie Vorhaben, bei denen der Baubeginn nach diesem Datum erfolgt. Ausnahmen sind möglich, wenn die Umsetzung technisch unmöglich oder wirtschaftlich unzumutbar ist.
Zur finanziellen Förderung: Es gibt bundesweite Maßnahmen wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das Erleichterungen und Vergütungen für PV-Anlagen vorsieht. Darüber hinaus vergibt die KfW zinsgünstige Förderkredite für Projekte im Bereich Klimaschutz und Erneuerbare Energien.
DHB: In welche Bereiche investiert das Land, und wie können Betriebe davon profitieren, zum Beispiel beim studentischen Wohnen und Schulbau?
Koch-Wagner: Das Land investiert massiv in den sozialen Wohnungsbau und in Bildungseinrichtungen, was dem Bauhandwerk viele Chancen bietet. Die landeseigene WOGE beginnt beispielsweise noch in diesem Jahr mit dem Bau eines neuen Studentenwohnheims mit 234 Plätzen auf dem Campus der Universität des Saarlandes in Saarbrücken. In saarländische Schulen werden insgesamt in den nächsten fünf Jahren mindestens 232,85 Millionen Euro aus Bundes-, Landes- und EU-Mitteln investiert. Das Schulbauprogramm BAUSTEIN bündelt bestehende Fördermittel und ergänzt sie um 150 Millionen Euro Landesmittel für Neubau und Sanierung.
In den kommenden Jahren stehen Großprojekte wie der Neubau der Schule am Webersberg in Homburg und neue Forschungsgebäude an den Hochschulen in Saarbrücken und Homburg an. Auch für den Bund gibt es im Saarland umfangreiche Bauvorhaben, vor allem für die Bundeswehr. Das gesamte Projektvolumen beläuft sich hier auf rund 1 Milliarde Euro.
Diese Investitionen kommen direkt dem saarländischen Bauhandwerk und den Planungsbüros zugute – Arbeit vor der Haustür sozusagen.
Eine gekürzte Version des Interviews erschien in der DHB-Ausgabe 9/2024.
Hoher Sanierungsbedarf im Saarland: Chancen für das Handwerk
Im Saarland gibt es laut Zensus 2022 insgesamt 314.613 Wohngebäude, von denen rund 233.000 vor 1979 errichtet wurden. Damit sind rund 75 Prozent der Gebäude älter als 45 Jahre und viele davon weisen einen erheblichen Sanierungsbedarf auf. Dabei geht es nicht nur um die Bausubstanz, sondern auch um veraltete Standards bei Energieeinsparung, Komfort und Barrierefreiheit.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wird der barrierefreie bzw. rollstuhlgerechte Wohnungsbau im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung besonders unterstützt. Höhere Fördersätze und die Möglichkeit, höhere Mieten zu verlangen, sollen Investoren motivieren, in diesem Bereich zu investieren. Auch Tilgungszuschüsse sind möglich. Für das Bauhandwerk ergeben sich dadurch große Chancen, insbesondere beim barrierefreien Umbau. „Ob Badumbau, Fliesenarbeiten, Anpassung von Durchgängen oder der Bau von Rampen – diese Maßnahmen garantieren Aufträge für die heimischen Handwerksbetriebe“, sagt Sandra Koch-Wagner, Leiterin der Obersten Landesbaubehörde