Bildungsministerin Streichert-Clivot: „Die duale Ausbildung ist ein hohes Gut“


Christine Streichert-Clivot mit verschränkten Armen

Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot | Foto: © Lukas Ratius

Die neue saarländische Ministerin für Bildung und Kultur, Christine Streicher-Clivot, im Gespräch über die duale Ausbildung und die Zukunft der SMTS.
Seit September 2019 ist Christine Streichert-Clivot saarländische Ministerin für Bildung und Kultur. Im Gespräch mit dem Deutschen Handwerksblatt (DHB) spricht die Gersheimerin über die Gleichstellung der beruflichen mit der akademischen Ausbildung sowie über den Stellenwert der Saarländischen Meister- und Technikerschule (SMTS) für die regionale Bildung und Wirtschaft.

DHB: Sehr geehrte Frau Streichert-Clivot, Sie sind seit Mitte September 2019 im Amt. Welches Resumée ziehen Sie?
Streichert-Clivot: Mein Ziel heißt beste Bildung für alle und von Anfang an. Gleiche Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen stehen im Vordergrund. Dafür haben wir schon viel erreicht.
Mit dem Gute-Kita-Gesetz entlasten wir Familien bei den Kita-Elternbeiträgen bis 2022 um die Hälfte. Bis 2024 bringen wir mit dem Digital-Pakt 67,7 Millionen Euro für moderne IT-Ausstattung an unsere Schulen. Die Hälfte unserer KiTas ist zweisprachig, wir sind bundesweit Vorreiter. Auch die Ganztagsangebote an KiTas und Schulen haben wir massiv ausgebaut, der Einstieg in die Vergütung der Erzieherinnen- und Erzieherausbildung ist geschafft und wir haben den Übergangsbereich an den beruflichen Schulen reformiert, um nur sechs Punkte zu nennen.
Bis zur Wahl haben der Ausbau der Multiprofessionalität, der Schulsozialarbeit und die Förderung der Inklusion höchste Priorität. Bei der Mehrsprachigkeit wollen wir weiter vorankommen und in der Kulturpolitik Akzente setzen. Die Neubesetzungen der Leitungen des Weltkulturerbes Völklinger Hütte und der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz stehen hier an erster Stelle.

DHB: Für das saarländische Handwerk ist die Gleichstellung der beruflichen mit der akademischen Bildung ein wesentliches Thema. Der Blick in den Landeshaushalt zeigt, dass die akademische Bildung deutlich mehr finanzielle Zuwendung erfährt als die berufliche. Wie bewerten Sie die Situation?
Streichert-Clivot: Die Lehrkräfteausstattung an den saarländischen Berufsbildungszentren ist hervorragend. Zuletzt haben wir alle freiwerdenden Planstellen der Beruflichen Schulen mit Fachpersonal besetzt. Mit gezielten Investitionen in der Lehrkräfteausbildung und -weiterbildung haben wir die Bedarfe in allen Fachrichtungen des Handwerks an den Berufsbildungszentren gedeckt. Die duale Ausbildung ist für mich ein hohes Gut, um das uns viele andere europäische Partner beneiden.
Es ist Aufgabe von Schule, über beide Wege der Berufsbildung zu informieren. Unsere beruflichen Schulen und auch die duale Ausbildung halten alle Wege offen, schließen eine akademische Ausbildung auch nicht aus. Instrumente wie der Aufstiegsbonus knüpfen daran an. Er belohnt Absolventinnen und Absolventen von Meister- und Fortbildungsprüfungen und deren Bereitschaft, sich beruflich fortzubilden. Auch der Bund fördert dies mit dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz. Außerdem beteiligen sich Bund und Land an den Kosten der dualen Ausbildung, indem sie anteilig die überbetriebliche Lehrlingsunterweisung mitfinanzieren.
Mit der betrieblichen Ausbildung von jungen Menschen investieren die Unternehmen in die Sicherung ihres eigenen Fachkräftebedarfs. Das ist nicht nur im Handwerk so, sondern auch in anderen Wirtschaftszweigen. Viele Handwerksbetriebe haben im Moment Probleme, die angebotenen Ausbildungsplätze zu besetzen. Zur Unterstützung des Handwerks hat das saarländische Wirtschaftsministerium im letzten Jahr, in Abstimmung mit der Handwerkskammer, die Kampagne „Perspektive Handwerk“ fortgesetzt und für die Ausbildung im Handwerk geworben.

DHB: Die Saarländische Meister- und Technikerschule ist als einzige Vollzeitschule ein wichtiger Standortfaktor, wenn es um die Versorgung des Saarlandes mit Fach- und Führungskräften geht. Viele Absolventen gehen in andere Wirtschaftsbereiche, nicht ins Handwerk. Es ist aber vor allem das Handwerk, das diese „Kaderschmiede“ finanziert. Wie gerecht ist das?
Streichert-Clivot: Dass viele Absolventinnen und Absolventen der Meisterschule ursprünglich aus der Industrie kommen oder nach Abschluss der Weiterbildung in die Industrie wechseln, beweist die anerkannte Qualität der dort angebotenen Lehrgänge. Die saarländische Landesregierung unterstützt dies nachdrücklich und mit hohem finanziellem und personellem Aufwand. So haben wir im Landeshaushalt die Voraussetzungen für eine Verbesserung der finanziellen Situation der Saarländischen Meister- und Technikerschule geschaffen.

DHB: Stichwort Berufsschul-Standorte – das Saarland ist klein, aber trotzdem ein Flächenland. Wie sehen Sie die Situation der verschiedenen Berufsschulstandorte im Saarland?
Streichert-Clivot: Wir wollen in verschiedenen Bereichen Kompetenzzentren bilden. Das macht die Verlagerung von verschiedenen Berufen, darunter Bauberufe, Nahrungsmittelberufe und kaufmännische Berufe im Logistikbereich, erforderlich. Damit werden wir die berufliche Ausbildung verbessern. Die Konzentration von ähnlichen Berufen an einem Schulstandort ist gut für die Unterrichtsqualität. Unterstützung für die Landkreise gibt es dabei über die Förderprogramme EFRE und GRW. Bei der Verlagerung haben wir darauf geachtet, dass die neuen Standorte von allen Schülerinnen und Schülern mit dem ÖPNV zu erreichen sind. Deshalb haben wir auch zwei Kompetenzzentren Bau – das TGS BBZ Neunkirchen und das TGS BBZ Saarlouis – gebildet und die Nahrungsmittelberufe am TG BBZ II Saarbrücken zusammengefasst.

DHB: Der Übergang von der allgemeinbildenden Schule in die Ausbildung fällt nicht allen immer leicht. Welche Übergangshilfen gibt es und wie kann das Handwerk davon profitieren?
Streichert-Clivot: Vor allem die Gemeinschaftsschulen bieten vielfältige Übergangshilfen in die Ausbildung. Mit der Beruflichen Orientierung fördern wir individuelle Wege in den Beruf. Wir werben auch für die duale Ausbildung bei den Schülerinnen und Schülern der allgemeinbildenden Schulen, gemeinsam mit den beruflichen Schulen. Dazu gibt es Projekte wie „Beruf und Wirtschaft konkret“, bei denen Schülerinnen und Schüler handwerkliche Tätigkeiten erleben. Hinzu kommt in der Gemeinschaftsschule ab Klassenstufe 7 das Fach „Beruf und Wirtschaft“, in dem unterschiedliche Wege aufgezeigt werden.
Jeder Schüler und jede Schülerin hat im Saarland das Recht auf beste Bildung und damit auch einen guten berufsqualifizierenden Abschluss. Allgemeinbildende und berufliche Schulen müssen in diesem Sinne Hand in Hand zusammenarbeiten. Ab dem Schuljahr 2020/21 wird es deshalb für ca. 5.000 Schülerinnen und Schüler an 18 öffentlichen Berufsbildungszentren und einer privaten kaufmännischen Schule neue Wege ins Berufsleben geben. Dabei liegt der Fokus auf dem Übergang von Schule zu Beruf für Jugendliche mit und ohne Hauptschulabschluss. Sie sollen, auch mit Blick auf den wachsenden Fachkräftebedarf, eine verbindliche Ausbildungsperspektive erhalten.
Dazu fassen wir die bisherigen ausbildungsvorbereitenden Bildungsgänge an der Berufsschule – das einjährige Berufsvorbereitungsjahr, das einjährige Berufsgrundbildungsjahr und die einjährige Berufsgrundschule – zu einer einheitlichen Ausbildungsvorbereitung zusammen. Schülerinnen und Schüler erhalten dort eine individuelle Förderung und einen gezielten Einstieg in konkrete Berufsfelder. 

DHB: Sie waren früher selbst als kritische Journalistin und sogar Chefredakteurin unterwegs. Welche Frage hätte die Chefredakteurin Streichert-Clivot der neuen Bildungsministerin gestellt?
Streichert-Clivot: Mich hätte interessiert, was die Bildungsministerin konkret für mehr Bildungsgerechtigkeit im Land tut. Was tut sie, um Bildungserfolg von der sozialen Herkunft zu entkoppeln, unser Bildungssystem durchlässig und inklusiv zu gestalten? Wie sorgt sie für gleiche Bildungschancen für alle Kinder und Jugendlichen? Seit ich politisch aktiv bin, waren das für mich mit die wichtigsten Leitfragen. Die Bildung unsere Kinder und Jugendliche darf nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängig sein.
Die Studie PISA 2018 attestiert Schülerinnen und Schülern in Deutschland überdurchschnittliche Kompetenzen. Sie macht aber auch deutlich, dass der Bildungserfolg in Deutschland insgesamt stärker als anderswo vom sozialen Hintergrund abhängt. Wir haben wirksam gegengesteuert. Der Bildungsmonitor 2019 belegt, dass mittlerweile in kaum einem anderen Land der Einfluss der sozialen Herkunft unserer Schülerinnen und Schüler auf ihren Bildungserfolg so gering ist, wie im Saarland.
Bei der Sprach- und Leseförderung setzen wir schon in den KiTas an. Wir reduzieren Schritt für Schritt die Elternbeiträge an Kitas. Auch mit unserem Landesprogramm „Schulen stark machen“, dem Ausbau der multiprofessionellen Teams und der Schulsozialarbeit setzen wir die Schwerpunkte konsequent. Als Chefredakteurin der „Rotzfrech“ hätte ich mich damit vermutlich nicht ganz zufriedengegeben. Und es stimmt ja auch – man darf sich auf dem Erreichten nicht ausruhen.