„Es geht um das Gesamtinteresse“


Bernd Wegner, Präsident der Handwerkskammer des Saarlandes und Mitglied des Landtages, über politisches Wirken und Ehrenamt in der Handwerksorganisation.
 
DHB: Herr Präsident Wegner, wie politisch ist die Arbeit eines Kammerpräsidenten?
Wegner: Aus meiner Sicht ist sie ohne Frage sehr politisch, aber nicht parteipolitisch. Ich bin der Überzeugung, dass eine moderne Handwerkskammer heute politisch, effizient und nahbar sein muss. Effizient meint, dass wir unsere internen Prozesse immer wieder auf den Prüfstand stellen, um zu vermeiden, dass wir die Interessen unserer Mitglieder und die anderer Anspruchsgruppen wie Existenzgründer oder Schülerinnen und Schüler aus den Augen verlieren. Kammerarbeit darf keine L’art pour l’art sein. Nahbar bedeutet, dass wir eine Art Mitmachorganisation sind, die vom Miteinander des Haupt- und Ehrenamtes lebt. Das Ehrenamt kann und sollte dem Hauptamt immer wieder Impulse aus dem betrieblichen Alltag eines Handwerksunternehmens geben. Die Verschränkung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen mit der professionellen Arbeit des Hauptamtes macht die Kammerarbeit im Gegensatz zu einer klassischen Behörde besonders wertvoll. Ich bezeichne das höchste Gremium unserer Handwerkskammer, die Vollversammlung, gerne auch als ‚Parlament des Handwerks‘. Diese Bezeichnung hebt den politischen Anspruch unserer Arbeit hervor. Nochmal: Dabei geht es aber nicht um parteipolitische Arbeit. Es geht vielmehr darum, Themen wie die Gleichstellung beruflicher und akademischer Bildung oder den Zustand unserer Infrastruktur in der politischen Agenda nach oben zu setzen.
 
DHB: Wie unterscheidet sich die politische Arbeit von Fachverbänden und Innungen gegenüber der Kammerarbeit?
Wegner: Die wertvolle Arbeit der Innungen und Fachverbände bezieht sich in der Regel auf einzelne Branchen und deren spezifische Interessenvertretung. Als Handwerkskammer sehen wir uns vor allem dann in der Pflicht, wenn es um gewerkübergreifende Themen geht. Es geht um das Gesamtinteresse des Handwerks. So haben wir im Rahmen unserer Öffentlichkeitsarbeit mithilfe der Ergebnisse eigens durchgeführter Sonderumfragen unter Handwerksunternehmen zu Themen wie Breitbandversorgung und Straßeninfrastruktur dazu beigetragen, dass diesen Standortaspekten seitens der Landespolitik verstärkt Aufmerksamkeit geschenkt wird.
 
DHB: Es gibt den Spruch: „Das Parlament ist mal voller mal leerer, aber immer voller Lehrer“ –sollten sich Ihrer Meinung nach mehr Handwerksunternehmer in den Parlamenten engagieren?
Wegner: Viele denken in diesem Zusammenhang oft erstmal an den Bundestag. Aber es gibt auch Landtage, Kreistage und andere Parlamente. Es wäre sehr wünschenswert, wenn sich in Parlamenten auf allen Ebenen mehr Handwerker fänden, die weniger aus akademischen Erkenntnissen heraus agierten, als aus ihrem betrieblichen Erfahrungswissen. Natürlich ist es anstrengend, sich nach einem langen Arbeitstag – sei es als Inhaber, sei es als Arbeitnehmer – noch mit politischer Arbeit auseinanderzusetzen. Aber es ist ungemein wichtig, damit dieses Feld nicht anderen überlassen wird. Nicht ohne Grund hängen die Begriffe Gesellschaft und Geselle auch sprachlich zusammen. In diesem Zusammenhang darf ich auf Ihr Zitat mit einem anderen Zitat antworten. Robert Pferdmenges, wirtschaftspolitischer Berater des ersten Bundeskanzlers unserer Republik, hat es schon  in den fünfziger Jahren - wie ich meine sehr griffig - auf den Punkt gebracht und gesagt: „Wir müssen uns um die Politik kümmern, sonst kümmert sich die Politik um uns“. Wichtig ist, dass wir Handwerker uns einbringen. Das muss nicht unbedingt Parlamentsarbeit sein. Ein solches Engagement fängt damit an, dass man selbstverständlich zu Wahlen geht, sich in politische Diskussionen einbringt oder vielleicht auch mal einen Leserbrief schreibt.
 
DHB: Sie selbst sind Mitglied des Saarländischen Landtages. Welche Erfahrungen machen Sie?
Wegner: Die sind überwiegend positiv. Ich erfahre Wertschätzung für mein Engagement. Das gilt für beide Seiten. Viele Handwerkskollegen schätzen es, dass sie mit mir einen Ansprechpartner haben, der sie versteht. Viele Politiker finden es gut, dass sie von mir frühzeitig auf die Anliegen unseres Wirtschaftsbereichs aufmerksam gemacht werden. Aber ich kann sehr gut meine parteipolitischen Ämter von dem des Kammerpräsidenten trennen. Das ist auch wichtig, um Interessenkonflikte zu vermeiden.
 
DHB: Was kann aus Ihrer Sicht die Gesamtheit der Handwerksorganisation zu einer erfolgreichen politischen Arbeit beitragen?
Wegner: Der Interessensausgleich, den unsere Gesamtorganisation leistet ist einzigartig. Ich bin mir sicher, dass es die Politik sehr schätzt, dass wir diesen Interessensausgleich über alle Ebenen hinweg und zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite vornehmen. Wenn auf Bundesebene die Frage im Raum steht, was sagt das Handwerk zu einem bestimmten Thema, dann können wir mit einer Stimme sprechen. Dies ist effizient und die Grundlage für  Kampagnenfähigkeit, die neben persönlichen Gesprächen auch nützlich sein kann.