Interview zur neuen E-Vergabe-Plattform


eGo-Saar Geschäftsführer Stephan Thul
Gespräch mit Stephan Thul, Geschäftsführer des Zweckverband elektronische Verwaltung für saarländische Kommunen 
Das DHB im Gespräch mit Stephan Thul, Geschäftsführer des Zweckverband elektronische Verwaltung für saarländische Kommunen – eGo-Saar. Die eGo-Saar betreut die Vergabeplattform „vergabe.saarland“, die zum Ziel hat, zukünftig die Vergabepraxis im Saarland mittelstandsfreundlich, einfach und effizient zu gestalten.
 
DHB: Was ist der Zweckverband elektronische Verwaltung für saarländische Kommunen – kurz eGo-Saar?
Thul: Der Zweckverband „Elektronische Verwaltung für saarländische Kommunen – eGo-Saar“ ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Alle saarländischen Kommunen sowie kommunalen Spitzenverbände sind Mitglied beim eGo-Saar. Nach dem Grundsatz „Einer für alle“ unterstützt der eGo-Saar seine Mitglieder bei den immer komplexer werdenden Anforderungen in den Bereichen E-Government, Breitband sowie Datenschutz und IT-Sicherheit. Der eGo-Saar bietet darüber hinaus als Dienstleister der Kommunalverwaltungen die Basisinfrastruktur, Netzdienste und Rechenleistungen zur nachhaltigen Verwaltungsmodernisierung.
 
DHB: Wo liegen die Vorteile der elektronischen Vergabe?
Thul: Als elektronische Vergabe, kurz E-Vergabe, wird die elektronische Durchführung von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge bezeichnet. Dabei soll die Abwicklung des Beschaffungsprozesses von Liefer-, Bau- und Dienstleistungen vollständig elektronisch sowie medienbruchfrei erfolgen und umfasst damit sämtliche Stufen des Vergabeverfahrens. Vorteile für Unternehmen ergeben sich aus dem vereinfachten Zugang zu Ausschreibungen, der gezielten Suche nach Ausschreibungen sowie der Möglichkeit der unmittelbaren Einsichtnahme in die Vergabeunterlagen. Der Unternehmer muss Vergabeunterlagen nicht mehr anfordern und auf den Posteingang warten. Er kann sofort nach Veröffentlichung der Ausschreibung auf die Unterlagen zugreifen – unabhängig von Ort und Zeit E-Vergabe ermöglicht darüber hinaus eine schnellere Bearbeitung und Übermittlung der Angebote. Durch die Empfangsbestätigung nach Angebotsabgabe wird zudem das Zustellrisiko verringert. Für öffentliche Auftraggeber liegen die Vorteile in der guten Systematik des Vergabeprozesses und der Rechtssicherheit durch Hinterlegen vergaberechtlicher Regelungen. Das Mitführen des Vergabevermerks erleichtert die Anforderungen an die Dokumentationspflicht und garantiert eine transparente Vorgehensweise.
 
DHB: Was ist Motivation und Ziel des Projektes „E-Vergabe“ im Saarland?
Thul: Um einerseits die öffentliche Verwaltung in Bezug auf die vergaberechtlichen Vorgaben auf sichere Füße zu stellen und andererseits die Handhabung bei der Suche von elektronischen Ausschreibungen für die saarländische Wirtschaft zu vereinfachen, haben das Land und die kommunale Ebene eine gemeinsame E-Government- Initiative geschaffen. Durch eine regionale  E-Vergabelösung wird ein einheitlicher Standard für die E-Vergabe im Saarland realisiert werden, von dem Vergabestellen und Unternehmen gleichermaßen profitieren. Alle Verfahren über die Vergabeplattform werden nach einem einheitlichen Muster mit einheitlichen Formularen durchgeführt. Mit der innovativen Vergabeplattform „vergabe.saarland“ ist es gelungen, künftig die Vergabepraxis im Saarland mittelstandsfreundlich, einfach und effizient zu gestalten. Dies dient nicht zuletzt auch der Steigerung der Attraktivität des Saarlandes als Wirtschaftsstandort. Hervorheben möchte ich die große Akzeptanz unseres Vorhabens bei den Kommunen des Saarlandes. Es haben sich nahezu alle kommunalen Mitglieder des Zweckverbandes eGo-Saar dem Rahmenvertrag für die E-Vergabelösung angeschlossen. Aktuell haben bereits mehr als 20 Kommunen und Vergabestellen des Landes mit der Einführung des E-Vergabesystems begonnen. In den nächsten Monaten wird diese Zahl sicher noch weiter steigen. Im Laufe des Projektes konnten wir auch die Interessensvertretungen, wie IHK, HWK, Architektenkammer und Ingenieurkammer des Saarlandes, als Unterstützer gewinnen. Durch das kooperative Vorgehen bei der Einführung des einheitlichen Vergabesystems soll sichergestellt werden, dass sich die Lösung aus der Region heraus weiter entwickeln kann und auf die Bedürfnisse aller Beteiligten – auch der Nutzer auf Seiten der Unternehmen – abgestimmt ist.
 
DHB: Welche Vorteile bietet die neue Vergabeplattform für das saarländische Handwerk?
Thul: Ein kleiner Wehrmutstropfen bei der E-Vergabe besteht für Unternehmen: Bei der Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben zur E-Vergabe sind die öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich frei in der Wahl der zu nutzenden Vergabeplattform. Hier müssen Kostenunterschiede aber auch Anwendungsunterschiede für jede E-Vergabeplattform beachtet werden. Genau da setzt unser Projekt „E-Vergabe“ an: Mit der zentralen, kostenfreien Vergabeplattform „vergabe.saarland“ wollen wir vermeiden, dass sich gerade kleine und mittlere Unternehmen im Saarland an drei, vier oder mehr Plattformen anmelden müssen. Der Vorteil  für alle Unternehmen liegt in den für sie flächendeckend und zeitgleich verfügbaren, einheitlichen Vergabeinformationen des Saarlandes. Dadurch entfällt eine zeitaufwendige Recherche in Zeitungen, Amtsblättern oder kommunalen Internetauftritten. Akzeptanz für ein Verfahren entsteht nun mal unter anderem, wenn es einfach zu nutzen ist. Die Bereitstellung eines einheitlichen Vergabesystems ist also auch hilfreich, wenn es darum geht, den Bietern den Zugang zur E-Vergabe möglichst einfach zu machen. Für die Handwerksbetriebe im Saarland bietet die Vergabeplattform mit den Bekanntmachungen, der Möglichkeit zur elektronischen Teilnahme an Vergabeverfahren, aber auch mit den allgemeinen Informationen zum Vergaberecht einen sehr guten Einstieg in das öffentliche Auftragswesen.

Mittels der integrierten Software „Bietercockpit“, inklusive GAEB-Bearbeitungsprogramm, werden die Bieter durch den kompletten Prozess der Angebotsabgabe geführt. Durch eine automatische Prüfung der Angebotsdaten können Fehler bei der Angebotserstellung vermieden werden. Bis zum Ablauf der Frist kann das Angebot jederzeit geändert werden.
 
Mit der einmaligen Registrierung auf der Plattform ist die Teilnahme an allen dort zu findenden Ausschreibungen möglich. Die Unternehmen werden dadurch in eine zentrale Firmendatenbank aufgenommen, auf die wiederum alle beteiligten Vergabestellen Zugriff haben, wenn es z.B. um die Auswahl von Betrieben für eine beschränkte Ausschreibung geht. Hierdurch bietet sich für regionale Handwerksbetriebe auch die Chance zur Erweiterung ihres Geschäftsgebietes.
 
Handwerksbetriebe und Unternehmen sollten eventuelle Bedenken gegenüber dieser neuen Art der Ausschreibung überwinden und nicht zögern, bei Problemen auf die Vergabestellen zuzugehen und um Unterstützung zu bitten.

Die wichtigsten Voraussetzungen für die Teilnahme an elektronischen Vergabeverfahren haben die meisten Unternehmen, auch im Handwerk, schon: Internetaffine Mitarbeiter, einen Internetzugang und Interesse, den geschäftlichen Erfolg zu erweitern. Jeder der einen Handwerksbetrieb führt, muss die betriebswirtschaftlichen Grundlagen beherrschen und kann daher Kalkulationen für mögliche Aufträge erstellen. Dann wird das Ganze nur nicht auf dem Postweg verschickt, sondern fast wie ein E-Mail-Anhang über die Vergabeplattform an den öffentlichen Auftraggeber übermittelt.
 
Um die Handwerksbetriebe, Unternehmen und Dienstleister besonders am Anfang bei der Nutzung der neuen Vergabeplattform zu unterstützen, werden wir gemeinsam mit den jeweiligen Kammern in den kommenden Wochen zentrale Bieterschulungen im Saarland anbieten.
 
DHB: Für welche Vergabeformen eignet sich die Plattform?
Thul: Über die Vergabeplattform können alle gängigen Aufträge der öffentlichen Auftraggeber sowohl im Liefer- und Dienstleistungsbereich als auch im Baubereich abgewickelt werden –  vom Direktkauf über formlose Beschaffungen nach Haushaltsrecht, freihändige Vergaben bis hin zu förmlichen Vergabeverfahren, sowohl unterhalb als auch oberhalb der EU-Schwellenwerte.
 
DHB:  Welche technischen Voraussetzungen müssen zur Nutzung der elektronischen Vergabeplattform erfüllt sein?
Thul: Zur Nutzung der Vergabeplattform ist lediglich ein Internetzugang sowie ein PC mit Windows, Linux oder Apple Betriebssystem erforderlich.


Weitere Informationen zur neuen E-Vergabe:

Elektronische Vergabeplattform "vergabe.saarland"