Resolution wider den ‚Akademisierungswahn‘


HWK-Vollversammlung für Gleichberechtigung akademischer und beruflicher Bildung
Die Vollversammlung der Handwerkskammer des Saarlandes (HWK), das sogenannte ‚Parlament des Handwerks‘, hat sich in ihrer heutigen (8. Juni 2017) Sitzung mit einer Resolution einstimmig für die Gleichwertigkeit beruflicher und akademischer Bildung ausgesprochen. „Es ist im Sinne der Fachkräftesicherung für das ganze Saarland, wenn Handwerk und Politik gemeinsam die Attraktivität der beruflichen Ausbildung steigern. Es gilt, Jugendliche, aber auch ihre Eltern und weitere Multiplikatoren für eine duale Ausbildung im Handwerk zu interessieren“, unterstreicht HWK-Präsident Bernd Wegner. Studien belegten den hohen Bedarf der Wirtschaft an beruflich ausgebildeten Fachkräften. „Gleichzeitig“, so Präsident Wegner weiter, „macht der Begriff ‚Akademisierungswahn‘ die Runde. Hier besteht eine Unwucht, der die Politik gemeinsam mit der Wirtschaft entgegenarbeiten muss.“
 
Das saarländische Handwerk fordert, dass das Gleichwertigkeitsprinzip grundsätzlich Leitlinie der Bildungspolitik sein müsse. „Ein wichtiger Schritt, um der Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung näher zu kommen, ist die Einführung eines Meisterbonus“, betont Präsident Bernd Wegner. Es sei gut und richtig, dass die Landesregierung den Meisterbonus im Koalitionsvertrag festgeschrieben habe. Jetzt gehe es um dessen konkrete inhaltliche Ausgestaltung: „Wir sprechen uns dafür aus, dass der Meisterbonus mit einer Gründerprämie verbunden wird, die man an die Bedingung knüpft, dass ein Handwerksbetrieb neu gegründet oder übernommen wird“, so der HWK-Präsident.
 
Auf der Tagesordnung der HWK-Vollversammlung standen auch Themen wie die Implementierung einer Compliance-Struktur, die Anpassung des Ehrenstatutes, Haushaltsfragen und Themen der überbetrieblichen Unterweisung.
 
Vorab hielt Professor Dr.-Ing. Frank Mücklich, einer der renommiertesten Materialforscher Deutschlands und Professor an der Universität des Saarlandes, einen Impulsvortrag, in dem er darauf hinwies, dass die Materialforschung ohne die Leistungen des Handwerks nicht auskomme: „Materialforschung und handwerkliche Präzision gehen Hand in Hand. Die Qualitätssicherung von maßgeschneiderten Hochleistungswerkstoffen ist nur dadurch zukunftsfähig“.
 
Prominentester Absolvent des Instituts von Professor Frank Mücklich ist der neue ESA-Astronaut Matthias Maurer. Das Deutsche Handwerksblatt hatte im Rahmen der bundesweiten Imagekampagne für das Handwerk darauf hingewiesen, dass EADS und NASA auf das Können deutscher Handwerke zurückgreifen.
Saarbrücken, 8. Juni 2017
 

 

Hier die Resolution im Wortlaut:

Resolution der Vollversammlung der Handwerkskammer des Saarlandes

Handwerk stärken:
Gleichwertigkeit von beruflicher Bildung und akademischer Bildung ge­währleisten

Die Meisterpflicht als Voraussetzung für die Selbständigkeit im Handwerk darf nicht weiter aufgeweicht werden. Der Meisterbrief ist ein berufsqualifizierender Abschluss, die mit der Meisterqualifikation vermittelten Kompetenzen sind ein entscheidendes Qualitätsmerkmal und eine wesentliche Voraussetzung für die langfristige Existenz eines Unternehmens. Die Meisterqualifikation ist eine zentrale Grundlage für die Ausbildung guter Fachkräfte im Handwerk und Ausdruck gelebten Verbraucherschutzes.
 
Wir fordern ein klares Bekenntnis der Politik auf allen Ebenen zum Meisterbrief.
 
Um den Fachkräftebedarf langfristig zu sichern, muss es das gemeinsame Ziel von Handwerk und Politik sein, die Attraktivität der beruflichen Ausbildung zu steigern. Es gilt, Jugendliche, aber auch ihre Eltern und weitere Multiplikatoren für eine duale Ausbildung im Handwerk zu begeistern. Dabei sind auch Zielgruppen wie zum Beispiel Studienaus­steiger und Jugendliche mit Migrationshintergrund verstärkt in den Fokus der Bemühun­gen zu nehmen. Wir wollen dazu beitragen, überholte Rollenbilder bei der Berufswahl zu verändern, damit sich Frauen zum Beispiel stärker für sogenannte Männerberufe interes­sieren. Das saarländische Handwerk wird seine Möglichkeiten nutzen, für eine Berufsbil­dung im Handwerk zu werben und deren Vorzüge darzustellen.
 
Die zentrale Voraussetzung für alle Anstrengungen, die Attraktivität beruflicher Bildung zu steigern, ist, dass Gesellschaft, Politik und Öffentlichkeit die berufliche Bildung als gleich­wertig zur akademischen Bildung ansehen. Dieses Gleichwertigkeitsprinzip muss grund­sätzlich Leitlinie der Bildungspolitik sein. Dies muss bei der Berufsorientierung beginnen und bis zur finanziellen Förderung der Meisterausbildung gelten.
 
Ein wichtiger Schritt, um der Gleichwertigkeit von allgemeiner und beruflicher Bildung nä­her zu kommen, ist die Einführung eines Meisterbonus. Dieser Meisterbonus soll eine weitgehend kostenfreie Ausbildung zum Handwerksmeister ermöglichen, indem er die Lü­cke zwischen Meister-Bafög und den Gesamtkosten der Meisterausbildung verringert. Er­gänzt werden sollte dieser Meisterbonus, der für den erfolgreichen Abschluss einer hand­werklichen Meisterausbildung gewährt wird, durch einen zusätzlichen Zuschuss, den man an die Bedingung knüpft, dass ein Handwerksbetrieb neu gegründet oder übernommen wird. Wir appellieren an die Politik, nun rasch einen solchen Meisterbonus einzuführen und mit unserer Handwerkskammer die konkrete Ausgestaltung des Meisterbonus im Saarland abzustimmen.
 
Saarbrücken 8. Juni 2017