MP Tobias Hans: „Handwerksbetriebe zeigen Verantwortung“


Tobias Hans sitzt an einem Tisch mit einer Uhr

Tobias Hans, Ministerpräsident des Saarlandes | Foto: © Staatskanzlei Saarland/Carsten Simon

Ministerpräsident Tobias Hans sieht trotz Corona die Chance auf eine starke Saarwirtschaft. Als Gründe nennt er das Berliner Konjunkturpaket und den Saarpakt.
 
Der saarländische Landesvater betont im Gespräch mit der Regionalausgabe Saarland die Bedeutung des Handwerks als Stabilitätsfaktor in der Krise. Eine Zusage für eine Gründerprämie spricht er nicht aus.

DHB: Herr Ministerpräsident, wie ist die Lage im Saarland angesichts der Coronakrise?
Hans: Es ist uns gelungen, das Infektionsgeschehen erheblich einzudämmen und die Pandemie in einem Maße unter Kontrolle zu bringen, wie wir es noch im März kaum zu hoffen gewagt haben. Zu diesem Zeitpunkt war das Saarland stärker betroffen von steigenden Infektionszahlen als andere Bundesländer. Aus diesem Grund waren wir zu der Überzeugung gelangt, dass wir schnell und entschlossen handeln mussten, um die Verbreitung des Virus in den Griff zu bekommen. Viele Maßnahmen sind uns alles andere als leichtgefallen, denn wir haben den Menschen im Saarland damit einiges abverlangt und auch unsere Wirtschaft und das Handwerk vor große Herausforderungen gestellt. Wir haben die erste Phase der Epidemie jetzt hinter uns – dass wir bisher vergleichsweise gut durch die Krise gekommen sind, verdanken wir in erster Linie den Saarländerinnen und Saarländern. Sie haben mit Vernunft, Umsicht und großem Verantwortungsbewusstsein auf die Situation reagiert und gerade in der Zeit der einschneidenden Beschränkungen Solidarität und Hilfsbereitschaft gezeigt. Die Frage, wie gut wir durch die Corona-Krise kommen, steht und fällt aber auch mit der Frage, wie widerstandsfähig unsere Wirtschaft in diesen schwierigen Zeiten ist. Daran hängen Arbeitsplätze, Wertschöpfung, Steuereinnahmen und daran entscheiden sich vor allem die Zukunftsaussichten für unser Saarland und seine Menschen.
 
DHB: Auch die Unternehmen des Handwerks stellt die Coronakrise vor ganz neue Herausforderungen. Wie nehmen Sie das Handwerk in dieser Krise wahr?
Hans: Die Handwerksbetriebe machen einen tollen Job. Wir stehen natürlich mit der Handwerkskammer im Saarland und ihrem Präsidenten, Bernd Wegner, sowie deren Hauptgeschäftsführer Dr. Arnd Klein-Zirbes, im engen Austausch. Die Handwerksbetriebe handeln sehr verantwortungsvoll, schützen ihre Mitarbeiter und Kunden. Vor allem aber sind sie mit großem Engagement bei der Sache und haben auch während der Krise so gut und so weit wie es möglich war weitergearbeitet. Besonders schön ist: Die meisten Handwerksbetriebe sehen, dass wir gemeinsam handeln. Sie meckern nicht, sie machen. Das ist das besondere an unseren saarländischen Handwerkern.
 
DHB: Mit Instrumenten wie vereinfachten Vergabegrundsätzen reagiert die saarländische Landespolitik ganz im Sinne des Handwerks. Was plant die Landesregierung darüber hinaus konkret, um Beschäftigung und Wirtschaftskraft im Saarland zu sichern?
Hans: Wir stehen am Anfang eines der größten Konjunkturprogramme der Geschichte des Landes. Der Bund will 130 Mrd. Euro investieren, das Land hat gerade Corona bedingt mehr als zwei Mrd. Euro zusätzlich in die Hand genommen. Jetzt wird es an vielen Stellen öffentliche Investitionen von Land und Kommunen geben. Das wird auch dem Handwerk einen Konjunkturauftrieb verleihen. Um ein konkretes Beispiel zu nennen: Die Ausbildungsbetriebe, die trotz der Krise weiter junge Menschen ausbilden, sollen gefördert werden. Mit den Kammern, der Bundesagentur für Arbeit und dem Wirtschaftsministerium stehen wir in Verhandlungen, wie solche Hilfen aussehen können.
 
DHB: Viele Gebäude der öffentlichen Hand sind im Saarland sanierungsbedürftig. Was unternimmt die Landesregierung, damit diese jetzt unter Einbeziehung handwerklicher Unternehmen und unter Berücksichtigung von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz ertüchtigt werden?
Hans: Der Mittelstand im Handwerk ist ganz essentiell für das Bauen im Land. Deshalb verfolgt die Bauverwaltung des Landes einen klaren Kurs der Mittelstandsfreundlichkeit. Die Ausschreibung in Teil- und Fachlosen ist der Regelfall. So können auch kleinere Betriebe von den Bauaufträgen des Landes profitieren. Darüber hinaus sind Informationsveranstaltungen gemeinsam mit den Kammern geplant, um aktuelle Projekte vorzustellen und auch Betrieben die Angst zu nehmen, sich den sehr formalen öffentlichen Ausschreibungsverfahren zu stellen. Die erste Veranstaltung sollte eigentlich jetzt im Juni stattfinden, wir werden sie aber nachholen, sobald die allgemeine Lage dies wieder zulässt. Die Verbesserung der Gebäudesubstanz hat einen hohen Stellenwert. Auch wenn in den vergangenen Jahren aufgrund der sehr engen finanziellen Rahmenbedingungen nicht alle wünschenswerten Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden konnte, ist sich die Landesregierung der Bedeutung einer modernen und energetisch effizienten Gebäudeinfrastruktur bewusst. Wenn wir jetzt die Hüllen von Bestandsgebäuden anpacken, ist es unser Ziel, diese ganzheitlich zu betrachten und auf einen energetisch vernünftigen Stand zu bringen. Dies schließt natürlich auch die damit verbundenen Technikgewerke wie z.B. die Heizung mit ein. Außerdem überprüfen wir bei diesen Maßnahmen auch, ob die Dachflächen für eine Belegung mit Photovoltaikmodulen geeignet sind und eine solche Anlage wirtschaftlich betrieben werden kann. Die meisten öffentlichen Gebäude sind aber nicht in Landesbesitz, sondern gehören den Kommunen. Städte, Gemeinden und Landkreise haben eine Vielzahl von Gebäuden in ihrem Bestand. Das beginnt bei Kitas und Schulen, geht über Sportanlagen, Begegnungsstätten, Verwaltungsgebäude und umfasst nicht zuletzt Gebäude für die öffentliche Sicherheit wie z.B. Feuerwehrgerätehäuser. Damit dort mehr in die Substanz fließen kann, hat die Landesregierung mit dem Saarlandpakt einen Teil der Kassenkredite von Kommunen übernommen. Über 80 Millionen Euro haben die Kommunen auf das Land übertragen. Mit dem Saarlandpakt verbessern wir die Haushaltslage der Kommunen deutlich. Unser langfristiges Ziel ist es, dass die Kommunen ihre Kassenkredite vollständig abbauen und die Investitionskraft steigern können. Außerdem wurden die Vergaberegeln für die Kommunen gelockert, damit sie schneller und unbürokratischer investieren können.
 
DHB: Unternehmerinnen und Unternehmer, die in den vergangenen Wochen ein Handwerksunternehmen gegründet oder übernommen haben sehen sich nun einem viel höheren unternehmerischen Risiko ausgesetzt als diejenigen, die das vor der Coronakrise getan haben. Aus unserer Sicht wäre es ordnungspolitisch klug, Gründern und Unternehmensübernehmern im Handwerk mit einer Prämie oder ähnlichem unter die Arme zu greifen. Welche konkreten Pläne gibt es hierzu seitens der Landesregierung?
Hans: Wir haben saarländische Unternehmen mit Millionen-Hilfen von Land und Bund stabilisiert. Dennoch ist die wirtschaftliche Lage schwierig. Mit dem Konjunkturpaket der Bundesregierung und dem Zukunftspaket Saar gibt es aber die Chance auf eine starke Saar-Wirtschaft, die auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch zukunftsfeste, gut bezahlte Arbeitsplätze bietet. Wir ergänzen direkte Soforthilfe und Kredite um die Möglichkeit der Stabilisierung von Unternehmen, indem das Land sich beteiligt. Die Landesregierung stellt im Zeitraum 2020-2022 Finanzmittel zur Existenzsicherung in den verschiedenen betroffenen Bereichen in Höhe von insgesamt 745 Mio. Euro bereit. Hinzu kommen die von der Bundesregierung in Aussicht gestellten Hilfen, die bis zum Jahr 2022 ein Volumen in einer Größenordnung von 480 Mio. Euro erreichen könnten. Und natürlich wollen wir auch ein gutes Gründer-Klima im Saarland schaffen – gerade jetzt in der Krise haben es viele Existenzgründer schwer.
 
DHB: Im vergangenen Jahr verzeichnete das Saarhandwerk gegen den Bundestrend eine positive Entwicklung bei den neu eingetragenen Ausbildungsverträgen. Die Trendwende schien – nicht zuletzt dank neuer Berufsorientierungsmaßnahmen – geschafft zu sein. Zahlreiche Berufsorientierungsmaßnahmen wie Ausbildungsmessen oder Besuche von Schulklassen in handwerklichen Bildungsstätten konnten jetzt wegen Corona nicht stattfinden. Was kann die Landesregierung unternehmen, um junge Menschen zu motivieren, sich auf eine der rund 400 offenen Lehrstellen im Saar-Handwerk zu bewerben?
Hans: Wir stehen in engem Kontakt mit der Bundesagentur für Arbeit, der IHK, der Handwerkskammer, Unternehmerverbänden und Arbeitnehmervertretungen, um hier trotz Corona voranzukommen. Wir als Landesregierung arbeiten daran, geeignete Formen des Kontaktes, der Berufsorientierung und der Information zu finden. Generell werden digitale Angebote immer wichtiger, aber selbstverständlich braucht es auch weiterhin Orientierungen über Praktika in den Betrieben, die viele Handwerksunternehmen dankenswerterweise auch nach wie vor anbieten.
 
DHB: Seit Ende April wird in der Saarländischen Meister- und Technikerschule (SMTS) wieder unterrichtet und geprüft. Von Stillstand kann auch beim Bildungsneubau- Projekt rund um den geplanten Bildungsbau nicht die Rede sein. Auch in Zeiten der Krise setzt sich unsere Handwerkskammer für die Gleichstellung beruflicher und akademischer Bildung ein. Welche Unterstützungsmaßnahmen sieht die Landesregierung in nächster Zeit für die berufliche Bildung vor?
Hans: Es darf kein Gegeneinander von akademischer und beruflicher Ausbildung geben. Beides ist wichtig und wird im Saarland dringend gebraucht. Viele andere Länder schauen mit Anerkennung und sogar etwas Neid auf die duale Ausbildung in Deutschland − denn sie ist einzigartig und gut. Wir investieren viel in diese berufliche Ausbildung, die Saarländische Meister- und Technikerschule ist dafür ein deutliches Beispiel. Aber auch die Berufsbildungszentren im ganzen Land sind hervorragend ausgestattet und haben engagierte Lehrkräfte. Hier werden wir nicht nachlassen, die berufliche Bildung mit Rat und Tat und auch mit Geld zu unterstützen. Daran ändert auch Corona nichts.
 
DHB: Bereits vor der Coronakrise befand sich das Saarland in einem tiefgreifenden Strukturwandel. Jetzt kommt die konjunkturelle Herausforderung durch die Pandemie hinzu. Welche Akzente wird die Landesregierung in Sachen Strukturwandel als nächstes setzen?
Hans: Das Saarland ist und bleibt Industrieland. Stahl und Automobil sind wichtige Herzkammern unserer Wirtschaftsregion. Wir wollen im Saarland das Auto der Zukunft bauen, mit modernen Verbrennungsmotoren, aber vor allem auch mit alternativen Antriebstechnologien. Hinzu kommt, dass das Auto von morgen voll vernetzt und autonom fahren wird. Künstliche Intelligenz ist dafür ein Schlagwort, die Universität des Saarlandes ist in diesem Bereich eine wichtige Triebfeder mit ihren Informatikschwerpunkt. Und beim Thema Stahl setzen wir auf einen technologischen Umbau der Stahlproduktion: immer mehr CO2-arme Produktionsverfahren, immer mehr wasserstoffbasierte Stahlerzeugung. Das sind die Ziele, die wir beim „grünen“ Stahl im Saarland verfolgen. Das ist ein Mammutprojekt, doch die Zeichen dafür stehen auf grün.
 
DHB: Welche Konzepte kann das Saarland umsetzen, um die Konjunktur anzukurbeln und gleichzeitig die Entwicklung der Regionen und den Klimaschutz zu fördern?
Hans: Das Thema Grüner Stahl habe ich schon genannt, ebenso wie den Umbau der Mobilität. Wir haben jetzt die Chance, unsere Wirtschaft anzukurbeln, indem wir vor allem auf klimafreundliche, auch nachhaltige Investitionen setzen. So wird im Konjunkturprogramm des Bundes gerade das Thema E-Mobilität besonders gefördert, das kann und wird für das Saarland als Mobilitätsland eine besondere Chance sein. Wir werden jetzt – auch im Kleinen vor Ort – auf Investitionen setzen, die die Wirtschaft ankurbeln, aber gerade auch der Nachhaltigkeit und dem Klimaschutz dienen können. Ich bin gegen Strohfeuer, die schnell verpuffen. Langfristige Investitionen wie energetische Sanierungen oder der Umbau der Industrie und der Mobilität machen viel Sinn – und jetzt ist die Zeit für solche Schritte. Das saarländische Handwerk kann da auch viel mitgestalten.
 
DHB: Wochenlang waren die Grenzen zu Luxemburg, Frankreich und anderen EUStaaten geschlossen. Seit Mitte Juni heißt es nun wieder „freie Fahrt“. Warum war die Rückkehr zu den Schengen-Grundsätzen für das Saarland so wichtig?
Hans: Mit über 220.000 Pendlern ist die Großregion SaarLorLux der größte grenzüberschreitende Arbeitsmarkt in Europa. Hinzu kommen Handel und Gewerbe, die vom grenzüberschreitenden Austausch leben. Aus diesem Grund habe ich auch während der Coronakrise immer darauf gedrungen, die Einschränkungen an der Grenze auf ein absolutes Mindestmaß zu reduzieren. Auch habe ich mich frühzeitig bei der Bundeskanzlerin und dem Bundesminister dafür eingesetzt, dass möglichst viele Grenzübergänge für den Pendler und Warenverkehr offengehalten wurden. Die Situation der vergangenen Wochen war zweifellos eine große Belastungsprobe für unsere Pendler und die Wirtschaft in der Grenzregion. Die temporär wiedereingeführten Grenzkontrollen im März waren zwar in der konkreten Situation richtig und konsequent, im Falle einer zweiten Corona-Welle werde ich aber alles daransetzen, dass sich ein solches Vorgehen nicht wiederholen muss.
 
DHB: Vielen Dank für das Gespräch!